Eine Fata Morgana namens Solvang

Kalifornien. Kalifornien leidet. Seit rund drei Jahren hat es im US-Bundesstaat an der amerikanischen Westküste fast nicht geregnet – trockene Böden, verstaubte Vorgärten und anhaltende Hitze machen Städtern und vor allem Farmern zu schaffen. Noch ist Kalifornien aber keine Wüste, auch wenn uns im Hinterland von Santa Barbara in der Nähe von Los Angeles bei unserer Reise ein Wüstenphänomen begegnete. Denn was wir Nordeuropa-Fans da 9000 Kilometer von Dänemark entfernt entdeckten, erschien uns zunächst wie eine Fata Morgana. Und war doch ziemlich real: Das kalifornische Städtchen Solvang begrüßt Gäste schon am Ortseingang mit einem freundlich-dänischen „Velkommen“ – und dem Hinweis auf seine Partnerstadt Aalborg im fernen Nordjütland.

Beim Bummel durch „Sollwääng“, wie die Amerikaner das dänische Dorf im Weintal Santa Ynes Valley nennen, staunten wir nicht schlecht. So viel Fachwerk, historische Häuser, Hotel, Gaststätten, Restaurants, Souvenirgeschäfte und Co. sind selbst in touristischen Hotspots wie Ærøskøbing oder Ebeltoft nicht zu finden. Und sogar der berühmte Runde Turm aus Kopenhagen, eine „echt“ mittelalterliche dänische Kirche, eine Windmühle, eine Skulptur der Kleinen Meerjungfrau und andere Nachbauten dänischer Wahrzeichen gibt es in Solvang. Ganz unamerikanisch jedoch nicht im XXL-, sondern eher M-, sprich: verkleinerten Format. Sei’s drum: So kompakt und auf engem Raum wie in Solvang findet man die dänischen Sehenswürdigkeiten sonst jedenfalls nicht.

 

Die Geschichte hinter Solvang ist, natürlich, eine Geschichte der Aus- und Einwanderung: Zwischen 1850 und 1930 wanderten tausende Dänen auf der Suche nach Wohlstand und Glück nach Nordamerika aus. Die meisten von ihnen nach Utah, Illinois, Minnesota, Iowa, Nebraska und South Dakota. Erinnerungen und Gedankengut brachten sie mit – darunter auch die Idee der Volkshochschulen (Folkehøjskoler) im Sinn von N.F.S. Grundtvig.  Eine „folk school“ wollte auch der aus der Nähe von Aarhus stammende Benedict Nordtoft gemeinsam mit Gleichgesinnten im Westen der USA gründen.

 

Schon ein Jahr nach der Bildung ihrer „Danish-American Colony Company“ in San Fransisco 1910 kauften die Gründerväter fast 9.000 Acres, etwa 36 qkm, Land im Santa Ynes Valley – der Anfang von Solvang war gemacht. Schnell begann man mit dem Bau von Kirche und Volkshochschule – beide bilden noch heute den „historischen“ Grundstock des 5.300 Einwohner großen Solvang. Viele andere „dänische“ Gebäude kamen aber erst in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg und sogar in den 1980ern und 90ern hinzu. Kein Wunder, dass Solvang heute weniger authentisch und eher wie ein dänisches Disneyland wirkt. Die vielen amerikanischen Besucher aber finden Solvang „cosy“ und weitgereiste Europäer immerhin kurios bis witzig. Genauso wie die Namen der im Design der 1970er und 70er eingerichteten Hotels mit Namen wie  „Hadsten House Inn“ oder „Kronborg Inn“.

 

Und sonst? Sah das Wienerbrød, zu Deutsch: die Kopenhagener in Mortensen’s Bakery zwar fast so aus wie die Originale im Mutterland – im Geschmack kamen sie an ihre dänischen Vorbilder aber bei weitem nicht heran. Ebenso wie das Frühstück in Olsen’s Bakery mit Rundstykke, Wienerbrød und Kaffee dänischer aussah, als es war ... Na, irgendwelche Vorteile muss eine Dänemarkreise ja bieten, wenn es denn schon nicht die (kalifornische) Wärme ist!

 

Dass viele Nachfahren der dänischen Immigranten zwar noch dänische Namen tragen, die Sprache ihrer Großeltern oder Eltern aber nicht mehr sprechen, ist verständlich. Dafür pflegen sie die Traditionen ihrer Heimat umso inniger: Feiern zum Beispiel jedes Jahr im Sommer die „Danish Days“ mit Volkstanz und Musik. Und nächstes großes Highlight in Solvang ist, wie könnte es anders sein, natürlich ein typisch dänisches Weihnachtsfest. Große „Julefest Parade“ ist am 6. Dezember. Um 11 Uhr geht’s los. Kalifornischer Zeit allerdings, nicht dänischer.

 

God jul! Und: See you in Solvang!

 

www.solvangusa.com