Bornholm. Irgendwann wollte Jesper Paulsen es wissen. Wissen, wie man richtigen Wein herstellt. Und ob dies auf Bornholm überhaupt möglich ist – mitten in der Ostsee und hunderte Kilometer entfernt von den bekannten Weinregionen in Deutschland, Italien oder Frankreich. „Vor etwa fünfzehn Jahren habe ich dann die ersten Weinstöcke gesetzt“, erinnert sich der ausgebildete Landwirt an seine Anfänge als Weinbauer.
Gesetzt hat Paulsen den von ihm bevorzugten „Rotwein der Sorte Rondo.“ Die Setzlinge dazu kaufte der experimentierfreudige Bornholmer bei der Forschungsanstalt für Garten- und Weinbau in Geisenheim im Rheingau.
Ganz zufällig erblühte die Liebe des heute 56-jährigen Paulsen nicht. Denn nachdem der dreifache Vater den alten Familienhof in der Nähe des kleinen Ortes Pedersker im Süden der dänischen Sonneninsel übernommen hatte, begann der den einstigen Schweinemasthof zunächst teilsweise, dann ganz auf die Produktion von Obst wie Schwarze Johannisbeeren, Stachelbeeren und Erdbeeren umzustellen. „Und in den 1990er Jahren habe ich dann den ersten Erdbeerwein gekeltert“, erzählt der gut gelaunte Paulsen im typisch singenden Bornholmer Dialekt.
Das süffige Getränk kam so gut an, dass der passionierte Weinliebhaber Jesper Paulsen bald darauf die ersten echten Weinstöcke setzte. Anfangs nur aus Leidenschaft und zur Präsentation. Heute als immer noch exotisches Geschäftsmodell – denn obwohl Dänemark schon seit dem Jahr 2000 von der EU offiziell als Weinanbauland anerkannt ist, gibt es im nordischen Königreich heute gerade einmal rund 40 Weinbauern. „Aber von denen lebt nicht einmal eine Handvoll hauptberuflich vom Wein“, sagt Paulsen. Bornholms einzigem Weinbauern Paulsen hingegen ist der Umstieg zum „Vollweinbauern“ gelungen. Auf rund dreieinhalb Hektar Fläche ranken rund um den Geburtshof – der inzwischen den standesgemäßen Namen Weinhof „Vingården Lille Gadegård“ trägt – von Paulsen Weinreben in den dänischen Himmel. Auf flachen Feldern, denn Hügel gibt es in dieser Region Bornholms nicht. Doch die nordische Sommersonne, die oft bis weit in den September scheint, tut dem Wein offensichtlich gut: Rund 15.000 Flaschen Rotwein der Sorten Rondo, Frühburgunder, Regent und Bolero produziert Paulsen inzwischen jedes Jahr. Der Wein reift in großen Fässern in den einstigen Schweineställen. Fast 95 Prozent werden im eigenen Hofladen, zu dem seit kurzem auch ein Restaurant gehört, direkt verkauft. Ein kleiner Teil geht an Restaurants auf Bornholm. Paulsen: „Als lokales Produkt passt der Wein perfekt zum Trend der Neuen Nordischen Küche, der ja auf heimische Erzeugnisse setzt.“
Seit vier Jahren kommt zum Rotwein auch erster Weißwein der Sorten Orion und Solaris hinzu. In beiden Fällen beste Bioqualität. „Wie die meisten anderen dänischen Weinbauern habe ich nämlich gelernt, dass Weißwein hier bei uns in Nordeuropa besser gedeiht als Rotwein“, beschreibt der umtriebige Geschäftsmann den durchgemachten Lernprozess. Doch die meisten Dänen trinken wie die anderen Skandinavier auch lieber Rotwein. Und: Vor allem der weibliche Teil der Kundschaft mag gern süße Weine, gern auch ungewöhnliche. Für sie stellt Jesper Paulsen darum auch Johannisbeer- und Stachelbeerwein sowie Schaumweine her mit einem Prozentgehalt zwischen elf und 13,5 Prozent. „Meine Zielgruppe sind Frauen ab 40 Jahren – und für ihren Geschmack möchte ich natürlich auch etwas bieten“, lacht Paulsen.
Und selbst für noch exquisitere Zungen hat Paulsen Hochprozentiges im Angebot: Seit 2005 in seiner kleinen Destillerie aus seinem Wein auch Brandy oder Whiskey her. Beides lagert in französischen Eichenfässern in den nur 50 Quadratmeter großen Kellergewölben des Weingutes und wartet geduldig auf die Reife, über die einmal im Jahr eine ausgewählte Bornholmer „Geschmacksjury“ aus Gastronomen und Freunden entscheidet.
In den Sommermonaten von Mai bis Oktober sind Laden und Restaurant des Lille Gadegård täglich von elf bis 17 Uhr geöffnet. Am meisten erfährt man über Jesper Paulsens Hof und Weinanbau in Dänemark bei einer rund 40-minütigen Führung mit dem Wein-Autodidakten. Die erfolgt nach Voranmeldung, mit etwas Glück auch spontan.
Informationen zum Lille Gadegård auf der Website des Hofes unter www.a7.dk