Ganzjährig in Nordsee und Ostsee zu baden ist Dänemarks neuer Trendsport – landesweit gibt es rund 80 Winterbadeclubs sowie zwei große Winterbadefestivals in Søndervig (31.12.2015) und Skagen (28.–31.1.2016)
Søndervig/Skagen. Langsam steigt die Wintersonne über dem Kattegat auf. Leichte Schaumkronen liegen auf den sanften Wellen der Ostsee. Doch schon in der frühen Morgendämmerung zeigt sich am Sønderstrand von Skagen schon Leben: Ein gutes Dutzend Badende strebt fröhlich plaudernd und singend gen Meer, ausgestattet mit Badeanzug oder –hose und Bademantel. Am Ufer heißt es schnell sein – und ohne Zögern ins nur wenige Grad „warme“ Wasser eintauchen. Nach zehn, fünfzehn Sekunden ist das Bad beendet. „Aber jeder Tag beginnt mit dem gewissen Etwas, einem besonderen Glücksgefühl und einer Extraportion Endorphine“, sagt Mette Hust.
Die 66-jährige muss es wissen. Denn die Skagenerin badet nicht nur seit fast zehn Jahren selbst an 365 Tagen im Jahr pünktlich um 8.30 Uhr. Die gelernte Familientherapeutin ist auch Vorsitzende lokalen Winterbadeclubs „Isbryderne“ mit rund 70 Aktiven. Die „Eisbrecher“ gehören zu den rund 80 dänischen Winterbadevereinen landesweit. War es vor wenigen Jahren nur eine Handvoll Nachfahren der Wikinger, die dem ebenso eiskalten wie gesunden Sport nachgehen, zählen die Clubs derzeit schon mehr als 25.000 Mitglieder. Hinzu kommt eine steigende Anzahl spontaner, unorganisierter Winterschwimmer und –schwimmerinnen. Laut dem „Rat für Badesicherheit“ tauchen sogar 55.000 Dänen und Däninnen regelmäßig im Winter an der mehr als 7.000 Kilometer langen Küste ins Wasser. Keine Frage: Winter- genauer gesagt Ganzjahresbaden ist der neue Trend im nordischen Königreich. Warum? „Ganz klar: Man kriegt jedes Mal diesen faszinierenden Kick – ein Kälteschock, der glücklich macht“, schildert Mette Hust ihr Lieblingsgefühl. „Wer täglich oder mehrmals pro Woche im Meer badet wird zum positiven Morgenmenschen. Man wird lebensbejahend.“
Ins zwei Grad „warme“ Meer
Eine durchschnittliche Wassertemperatur von zwei Grad Celsius beispielsweise an der jütländischen Nordseeküste hält die Unverfrorenen nicht ab, auch von Dezember bis April zu baden. Im Gegenteil. Denn längst ist der gesundheitliche Nutzen erwiesen. Denn das meist nur kurze, zehn bis fünfzehn Sekunden dauernde Abtauchen ins kalte Nass setzt sofort Endorphine im Körper frei, die noch lange nach dem Bad für Wohlbefinden sorgen. Mette Hust: „Man weiß, dass dies Menge der Endorphine derjenigen entspricht, die nach einem erfolgreichen Marathonlauf freiwerden.“ Auch Urlauber sind bei den lokalen Winterbadeclubs, die Namen wie „Det Kolde Gys“ (dt. Kalter Schauer; Kopenhagen), „Isbjørnen Aalborg“ (dt. Eisbären Aalborg) oder Nivå Pigvinerne (dt. Pinguine Nivå) haben, zwischen Ringkøbing an der Nordsee und Kopenhagen am Øresund gern gesehen. Nur allein sollte man nie ins winterliche Nass steigen, raten Experten.
Noch stärker spürt man das Gemeinschaftserlebnis bei der Teilnahme an einem der dänischen Winterbadefestivals. Winterbaden ist nämlich auch ein soziales Phänomen –besonders im Norden. Etwa beim eiskalten Silvesterbaden in der Ferienregion Søndervig an der Nordsee. Am 31. Dezember versammeln sich am Strand einige Dutzend Badelustige aus Nah und Fern. Sie krönen ihren unverfrorenen Jahresabschlusssprung ins Meer mit einem Nordseemenü aus Champagner, Austern und dem typisch dänischen Festtagskuchen Kransekage. Zum größten Winterbadefestival des Landes hat sich das Skagen Vinterbaderfestival entwickelt, das seit 2012 immer am letzten Januar-Wochenende in der dänischen Fischerei- und Hafenstadt stattfindet. Rund 200 Einheimische und Gäste kommen drei Tage lang in Skagen zusammen, um ihrem Hobby nachzugehen. Darunter Gäste aus ganz Dänemark, aber auch aus Norwegen und Schweden. „Nur aus dem Süden Europas fehlen bisher Interessierte“, lacht Mette Hust, die auch zum Organisationsteam des Winterevents gehört, „dort mangelt es wohl noch an Mut.“
Die Reize der stillen Monate
Wie andere dänische Festivals macht die Kombination aus jeder Menge – auch privatem – Engagement, Gemeinschaftssinn, Spontanität, Volksnähe, Spaß an der Sache und Überzeugung das Winterbadefestival in Skagen zum bleibenden Erlebnis. Mette Hust: „Dreh- und Angelpunkt ist zum einen unsere Natur mit Dünen, Strand und Meer. Dazu kommt, dass wir unsere Heimatstadt Skagen zum Beispiel bei einer Führung, einem Besuch im Skagens Museum oder einem Spaziergang zur Landspitze Grenen vorstellen – auch, um zu zeigen, dass es sich ein Kommen nicht nur im Sommer lohnt.“ Karen Riis von der ebenfalls zu den Veranstaltern gehörenden Kommune Skagen kann das nur unterstreichen, auch wenn sie selbst nicht zu den Winterbadern zählt: „Der Winter, vor allem der Januar gilt im dänischen Norden eher als stiller Monat. Doch das Winterbadefestival beweist, dass unsere Natur zu jeder Jahreszeit ihren Reiz hat.“
Dieser beginnt auch im Rahmen des Skagen Winterbadefestivals unter dem Motto „Årets koldeste gys“ (dt. der kälteste Schauer der Jahres) mit dem morgendlichen Badegenuss um 8.30 Uhr, das mit dem gemeinsamen Marsch zum Strand des Platzes von Grenen Camping – dem Ausrichtungsort der Veranstaltung – beginnt. Angeführt von heiteren Klängen eines Saxofonisten. Dann kann es noch dunkel sein. „Aber besonders bei schönen Wetter ist es richtig toll – nicht einmal Null Grad Wasser- und ein eisiger Nordostwind mit einer Lufttemperatur von -15 °C wie beim letzten Winterbadefestival können dann die gute Stimmung trüben“, sagt Mette Hust. „Im Gegenteil: Dann fühlt sich das Meer wärmer an als die Luft und das Eintauchen macht noch mehr Spaß.“ Anschließend folgt ein prall gefüllter Festivaltag mit einem Programm, das vom aufwärmenden Frühstück über Ausflüge in und um Skagen und Dänemarks Nordspitze Grenen, kulturellen Aktivitäten bis zum gemeinsamen Abendessen reicht. Mette Hust: „Unser Festival ist wie das Winterbaden selbst: gemeinsam macht es viel mehr Freude.“
Infos zum Winterbaden in Dänemark und den dänischen Winterbadefestivals 2015/16 gibt's auf der Homepage von VisitDenmark
hier.