Dresden. Dresdens junge Szene und Street-Art-Kultur lädt in diesem Sommer zu spannenden Streifzügen – ein Anziehungspunkt ist die internationale Kunstausstellung Ostrale 2016, die noch bis bis zum 25. September dauert. Darüber hinaus laufen die letzten Arbeiten am neuen Kulturzentrum Kraftwerk Mitte, das im Dezember eröffnen als neue Heimstätte von Staatsoperette und Theater Junge Generation eröffnen wird. In der Neustadt dagegen entwickelt sich eine junge, individuelle Szene mit Schwerpunkt Mode und Straßenkunst. Ein persönlicher Streifzug.
Barock, klassisch, traditionell: Wer Dresden – das sich immer noch am liebsten „Elbflorenz“ nennt – zum ersten Mal erkundet, streift meistens als zunächst durch die Altstadt rund um die 2005 wiedereröffnete Frauenkirche, den Altmarkt, die berümten Brühlschen Terrassen an der Elbe, um Schloss, Semperoper und Hofkirche. „Der Sachse klebt an dem, was er hat“, sagt Cosima Curth beim Rundgang zwischen den neuen, alten Fassaden rund um Neumarkt, Rampischer Straße und Terrassenufer im Herzen der erst in den letzten Jahren fast gänzlich von den letzten Kriegsschäden befreiten City der sächsischen Hauptstadt.
Doch nur wenige Schritte entfernt, zeigt sich das klassische Dresden viel jünger, aufregender. Hinter dem neobarocken Sandsteinäußeren der Hochschule für Bildende Künste riecht es sogar am späten Freitagnachmittag nach Farbe. Ausdruckslust und künstlerische Ambitionen kennen keinen Feierabend. In den Ateliers arbeiten Kunststudenten – insgesamt sind es 650 – intensiv an ihren Gemälden, Lithografien oder Skulpturen. Sie bereiten die alljährliche Sommerausstellung vor, die im Juli zu sehen ist.
Eine der 650 Studierenden ist Nadine Glas. Die Münchnerin, die im vierten Semester Malerei studiert, erklärt ihr Dresden-Gefühl so: „Ich spüre, dass man hier in Dresden noch etwas schaffen und bewegen kann. Bei mir zuhause liegt alles fest, da fehlt der Freiraum.“
Dass sich Dresden auch mehr als ein Vierteljahrhundert nach der deutschen Einheit immer noch bewegt, zeigt ein Besuch im Kraftwerk Mitte. Zwanzig Jahre lang war das einstige Braunkohle-Fernwärmewerk eine Brache, nur eine Viertelstunde von Schauspielhaus und Oper entfernt – jetzt entsteht im denkmalgeschützten Industrieambiente ein neues kulturelles Zentrum mit zeitgemäßen Spielstätten für Deutschlands größtes Kinder- und Jugendtheater, das Theater Junge Generation (tjg), und die Staatsoperette. Der Baustellenrundgang beeindruckt. Eröffnung der neuen „Kulturkraftzentrale“ wird im Dezember sein: „Dann wandeln die Schauspieler hier die Energie des Ortes in Leben um“, freut sich Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch.
Noch einmal zehn Minuten weiter westlich der City liegt Dresdens alter Rinderschlachthof. In einigen der hundert Jahre alten Hallen haben sich die Macher der Ostrale niedergelassen. Die internationale Ausstellung für zeitgenössische Kunst findet in diesem Jahr zum zehnten Mal statt, ganz in freier Regie. Auf 20.000 Quadratmetern zeigen mehr als 200 Künstler aus 70 Ländern ihre Werke unter dem Motto „error: X“. Wer vor Ort Kreative wie die in Berlin lebenden japanischen Installationskünstler Kiyomi und Tetsuhiro Uozumi trifft und mit ihnen ins Gespräch kommt, registriert eine neugierige Offenheit: „Es ist toll, hier zu sein und zu arbeiten. Stadt und Menschen gefallen uns.“ Das 35-jährige Künstlerpaar schenkt mit seinen Werken aus Recycling-Fundstücken ebenfalls Neugier: „Freie Gefühle“ möchten die beiden wecken. Will sagen: Gedanken und Interpretationen sind frei.
Voller Energie, jung und kreativ zeigt sich Dresden aber besonders in der Neustadt. Wer die Augustusbrücke von der Hofkirche hinüber zur Hauptstraße und weiter Richtung Alaunstraße geht, betritt eine andere, bunte Welt. Im Szenestadtteil sind Studenten, Künstler, Musiker und Freiberufler in der Mehrzahl. Eine kleine Modeszene hat sich im Schatten der Martin-Luther-Kirche etabliert, die auf selbstgemachte, individuelle Kleidung in kleiner Stückzahl setzt. Zwei der Modemacher sind die Brüder Sven und Peer Anders. In ihrem Laden „Exx“ an der Rothenburger Straße setzen sie auf eigene Entwürfe und kleine Auflagen. „Unsere Kollektion ist fest und wechselt nicht ständig“, erklärt 50-jährige Sven Anders das nachhaltige Konzept. Nur 70 Modelle sind im Angebot – alle gefertigt in einer befreundeten Schneiderei im sächsischen Zwickau. Sven Anders: „Das ist echtes Handwerk mit Wertigkeit. Uns macht es Spaß, Mode langsam zu entwickeln statt sie schnell zu verschleudern.“
Anders als auf Dresdens Altstadtseite mit seinen renommierten Museen wie dem Grünen Gewölbe oder der Gemäldegalerie wimmelt die Neustadt von Straßenkunst. Kaum ein Haus, kaum eine Wand ohne Grafitti und Tags, die Kürzel der Sprayer. „Unsere Szene besteht aus zwanzig, dreißig Aktiven“, sagt Florian Bölike. Der 27-Jährige ist selbst einer der bekanntesten Sprayer – führt als Kunstpädagoge aber ein Doppelleben: Bölike malt nicht nur, er bietet auch Rundgänge durch In-Quartiere wie das Hechtviertel und sogar Spray-Kurse an. Gesprayt wird individuell oder in kleinen Gruppen. Und das natürlich legal: Dresden hat vier legale Flächen für Sprayer freigegeben. Zu bunt soll die Elbmetropole eben auch nicht werden.
Meine Tipps und weitere Informationen:
Allgemeine Reiseinfos zu Dresden gibt es unter www.dresden.de/tourismus
Die Ausstellung der Ostrale’016, „error: X“, ist vom 1.7.–25.9. immer Dienstag bis Sonntag geöffnet. Messering 8, 01067 Dresden, www.ostrale.de
Die Jahresausstellungen von Studierenden der Hochschule für Bildende Künste Dresden sind vom 8.7.–17.7. zu sehen an den Standorten Güntzstraße 34 und Pfotenhauerstraße 81/83 zu sehen. www.hfbk-dresden.de/hochschule/profil/ausstellungen/ausstellungsprofil/
Grafitti-Rundgänge oder Spray-Kurse bieten die Kunstpädagogen Florian Bölike und Kollege von ATLJAE an. Eine Stunde kostet rund 50 Euro. www.atljae.de