Norderstedt. Das Feuerwehrmuseum Schleswig-Holstein in Norderstedt gilt mit 30.000 Besuchern als Deutschlands führende Sammlung rund um Feuer, Brände und Löschen – nächstes Besucherhighlight ist der Weihnachtsmarkt am 9.–11. Dezember 2016.
Wer die Plambeck-Halle betritt, sieht rot. Feuerwehrrot. Eng an eng stehend Dutzende Feuerwehrwagen. Ein intensiver Geruch von Öl und Diesel liegt in der Luft. Fast wirkt es, als könnten die startklar wirkenden Fahrzeuge beim ersten Alarm durch die große Toreinfahrt sofort zum Brandort rasen und Hilfe leisten. Doch der Eindruck täuscht – einerseits, denn die Feuerwehrfahrzeuge bilden ein Herzstück des Feuerwehrmuseums Schleswig-Holstein in Norderstedt.
Andererseits sind fast alle Wagen der Sammlung wie Schaumtank-, Schlauch- oder Leiterwagen startklar und funktionsfähig. Darunter ein einzigartiges Exemplar, auf das Museumsleiter Hajo Brandenburg besonders stolz: „Wir besitzen das älteste fahrbereite Feuerwehrfahrzeug zwischen Ostsee und Nordsee – der aus Heiligenhafen in Ostholstein zu uns gekommene Opel Blitz von 1939 hat sogar frischen TÜV und HU.“ Der Aufbau stammt von der Firma Koebe bei Berlin. Dreißig Jahre lang war der Rettungswagen an der Ostsee bis 1970 im Einsatz.
Der Opel mit seinen 2,5 Litern Hubraum und kompletter Mannschaftsausstattung ist längst nicht das einzige Highlight des vor knapp 30 Jahren gegründeten Museums, dessen Grundstock die Exponate des 1988 geschlossenen privaten Feuerwehrmuseums in Neumünster bilden. Die insgesamt drei Hallen des „vielleicht am meisten unterschätzten Museums in Schleswig-Holstein“, so der promovierte Historiker Brandenburg, versammeln auf 2.300 Quadratmetern rund 50 Feuerwehrfahrzeuge aller Epochen – von den Anfängen der Lösch- und Rettungstechnik mit Handdruck- und Dampfdruckspritzen bis zum erst kürzlich außer Dienst gestellten Mannschaftsbus der Feuerwehr Hamburg, der auch bei der Fußball-Europameisterschaft 2006 im Einsatz war. Jüngste Erwerbung ist Feuerwehrmotorrad, das die 30 ehrenamtlichen Kfz-Mechaniker und Helfer derzeit wieder „flott“ machen.
Historische Fahrzeuge und Dioramen
Doch auch so kommen kleine und große Technik- und Feuerwehrfans zwischen den beeindruckenden Einsatzwagen von Mercedes, Magirus und anderen wichtigen Herstellern aus dem Staunen kaum heraus. Viele der leuchtend roten Rettungswagen etwa aus den 1970er oder 80er Jahren kennen auch Jüngere noch – die teuren Spezialfahrzeuge sind besonders bei Freiwilligen Feuerwehren nicht selten Jahrzehnte, ja ein halbes Jahrhundert im Einsatz. Faszinierend ist auch zu sehen, welchen Stand bereits die historische Technik hatte: Die von Pferden gezogene Handdruckspritze von 1754 zum Beispiel war seinerzeit Hightech. Ältestes Originalstück ist ein Löscheimer von 1639. Beeindrucken kann auch die als Nachbau zu sehende Schutenspritze, ein Vorläufer der heutigen Löschboote im Hamburger Hafen, mit der sechs Witt-, also Weißkittel gefährlichen Unfällen als Löschmannschaft zu Leibe rückten. Hautnah nachvollziehen lassen sich auch Rettung und Bergung nach einem Verkehrsunfall mit Spezialwerkzeug wie Spreizer und Schwere im Maßstab 1:1.
Besonders stolz ist Museumschef Brandenburg auf die erst seit diesem Jahr zu sehende neue Attraktion des Hauses, die Sammlung Gerlach: 70 Jahre lang arbeitete Emil Gerlach (1893–1982) an seinen 100 Modellen, die die norddeutsche Geschichte des Löschwesens vom Mittelalter bis in die Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zeigen. Der Hamburger fertigte seine Dioramen in seiner Freizeit nach zeitgenössischen Stichen, Fotos oder Originalzeichnungen im Maßstab 1:30 mit mehr als 600 handgeschnitzten und bemalten Holzfiguren und 100 Gebäude und Fahrzeugmodellen an. Dass selbst die beiden Eisenbahnanlagen des Museums in den Maßstäben 1:87 und 1:32 Feuerwehreinsätze wie beispielsweise die Löschung eines brennenden Finanzamtes zeigen, kann da nicht mehr überraschen. Abgerundet wird die Museumssammlung von Uniformen aus der Zeit von 1860 bis 1960 sowie Feuerwehrhelmen aus aller Welt. Kein Wunder, dass das Feuerwehrmuseum Schleswig-Holstein mit rund 30.000 Gästen jährlich in der Besuchergunst sogar vor dem Deutschen Feuerwehr-Museum in Fulda liegt.
Seltener als ein Ferrari
In der Plambeck-Halle steht auch ein offiziell Schaumtankfahrzeug genannter Wagen, der bis 1996 bei der Freiwilligen Feuerwehr Brunsbüttel Tag für Tag treue Dienste leistete. Das 1967 gebaute Fahrzeug ist hier nicht nur das jüngste Feuerwehrfahrzeug – der Mercedes-Benz-Lkw mit Aufbau des Spezialisten Bachert ist als letztes von nur sieben baugleichen auch das weltweit einzige seiner Art und darum besonders wertvoll. „Ich sage deshalb immer: Unsere Exponate sind rot wie ein Ferrari – zwar nicht so teuer, dafür aber viel seltener“, lacht Hajo Brandenburg. So beeindruckend die Sammlung in Nordersstedt auch ist – der Museumsleiter hat immer noch Träume: „Es fehlen auf jeden Fall noch ein Krankenwagen und ein Flughafen-Feuerwehrwagen.“
Das ist (noch) Zukunftsmusik. Doch Stillstand soll es im Feuerwehrmuseum Schleswig-Holstein nicht geben. Darum stehen bereits jetzt auch die Sonderausstellungen für die kommenden Saisons schon fest: Im kommenden Jahr plant Brandenburg Themenausstellungen zu Carrera und Barbie. Und 2018 soll sich dann alles um Fischertechnik drehen.
Hintergrund
Träger des Feuerwehrmuseums Schleswig-Holstein ist der 1987 gegründete Förderverein Feuerwehrmuseum Hof Lüdemann e.V. mit seinen rund 340 Mitgliedern. Seit 1990 ist das landesweit einmalige Museum im 200 Jahre alten Bauernhof Lüdemann im Zentrum von Norderstedt zuhause. Neben zahlreichen Unikaten der Sammlung gehört auch die öffentlich zugängliche Bibliothek mit 14.000 Büchern rund um das Thema Feuer und Löschen zu den Höhepunkten. Das Feuerwehrmuseum ist ganzjährig geöffnet von Mittwoch bis Samstag 15–18 Uhr, Sonntag von 11–18 Uhr. An Feiertagen geschlossen.
Internet: www-feierwehrmuseum-sh.de
Der diesjährige Weihnachtsmarkt der Kunsthandwerker findet vom 15.–17. Dezember 2017 statt.