Aså/Dänemark. Es riecht nach Leder und nach Gummi, als wir den kleinen Schuhladen an der Skippergaden im dänischen Aså betreten – wie in jedem anderen Schuhgeschäft auch. In den Regalen stehen Sandalen, Turnschuhe, Halbschuhe für Frauen, Männer und Kinder. Mal bunt, mal einfarbig. Und dann stehen da noch: Clogs, original dänische Clogs. Denn „Aså Træsko“ in der kleinen Hafenstadt am Kattegatt in Nordjütland ist eines der wenigen Fachgeschäfte in Dänemark, das auch im 21. Jahrhundert noch auf die einst allgegenwärtigen Holzschuhe – auf Dänisch Træsko – spezialisiert sind. Ein Klassiker, den noch vor wenigen Jahrzehnten vom Landwirt bis zur Hausfrau, vom Lkw-Fahrer bis zum Dorfschüler im kleinen Königreich jede und jeder trug. Und der heute aus dem dänischen Alltagsbild verschwunden ist. Oder besser: verschwunden zu sein scheint.
„Viele Däninnen und Dänen tragen auch heute noch oft und gern Clogs“, weiß Mona Jensen Brix. Und wenn es jemand wissen muss, dann die 66-jährige Schuhmacherin aus Aså bzw. Asaa, je nach Schreibweise. Immerhin feiert die quirlige Handwerkerin in diesem Jahr ihr 25-jähriges Schuster-Jubiläum. „Bei mir kaufen Tausende jedes Jahr ihre Clogs oder Træsko“, unterstreicht Jensen Brix. Einige nehmen die weite Anreise in den hohen Norden des Landes in Kauf, um eines der handgefertigten Exemplare persönlich anzuprobieren und zu kaufen.
Denn das eigentliche Reich von Mona Jensen Brix liegt gleich hinter dem bescheidenen Ladenlokal: In einem Anbau des historischen Hauses liegt die kleine Werkstatt von Aså Træsko. Es sind nur wenige Schritte, die uns Mona Jensen vorausgeht – und wirkt doch fast wie eine Zeitreise. Denn die Werkstatt, die Monas vor zwei Jahren verstorbenen Mann in den 1970er Jahren aufbaute, ist eine Schuhmanufaktur wie zum Beginn des Industriezeitalters: Stanzformen für die großen Lederbögen, aus denen Jensen Brix das Obermaterial für ihre Clogs fertig, liegt sauber geordnet in allen Größen bis zur Größe 48 in einem kleinen Holzregal. Halbfertige Clogs stehen zur Weiterverarbeitung in hohen Metallregalen. Vier alte Nähmaschinen von Pfaff, jede sicher ein halbes Jahrhundert oder mehr alt. Stanzmaschinen, mit denen die Handwerkerin das Oberleder im Schuh befestigt – Klammer für Klammer. Alles Handarbeit.
„Es ist etwa ein Dutzend verschiedener Arbeitsschritte vom Zuschneiden des Leders bis zum fertigen Holzschuh“, rechnet Mona Jensen zu, die eigentlich längst ein zufriedenes Rentnerdasein führen könnte. „Aber ich habe keine Lust darauf, zuhause zu sitzen. Die Kunden freuen sich auf mich und meine Clogs – und ich bin glücklich über jedes Kundengespräch.“ Rund eine Woche dauert es vom ersten Arbeitsgang bis zum verkaufsfähigen Schuh, wobei insbesondere die Trocknung nach der Formung des Leders Zeit benötigt. Holzschuhe sind die Træsko übrigens streng genommen nicht mehr: Die Sohle ist auch weichem Kunststoff, der den Schritt angenehm dämpft; die Innensohle aber ist nach wie vor aus orthopädisch geformtem Holz. Hergestellt werden die Sohlen von einem Zulieferer in Osteuropa. Seit dem Tod ihres Mannes macht Mona Jensen alles weitere allein – und nur sie hat alle Arbeitsgänge und Feinheiten im Kopf bzw. in den Fingerspitzen. Denn jeder Arbeitsschritt erfordert ebenso viel Genauigkeit wie Gefühl. Nur ab und an hilft eine Nachbarin aus, wenn die Nachfrage zu groß und der Nachschub klein ist.
Marketing kennt Mona Jensen Brix nicht – ihre Clogs verkaufen sich durch Qualität und nicht zuletzt durch Mund zu Mund Propaganda. Gekauft werden die Træsko im kleinen Laden. Und auf einem von mehr als zehn der in Dänemark so beliebten Kramer- und Volksmärkten überall im Land, auf denen die Nordjütländerin von Frühjahr bis in den Herbst immer am Wochenende steht. Zum Beispiel noch Mitte September auf dem Egeskov Marked auf Fünen. Einen Onlineshop sucht man vergebens – Aså Træsko verkauft seine Ware ausschließlich in der realen Welt.
Und wer kauft? „Das ist völlig verschieden“, sagt Mona Jensen, „Nachfrage bei Clogs gibt es bei Mitarbeitern unserer Gemeinde Dronninglund ebenso wie bei Privatleuten, die schnell mal in Clogs schlüpfen, um in den Garten zu gehen oder den Müll wegzubringen. Aber auch bei Bauern oder Handwerkern. Ich merke keinen Einbruch bei der Nachfrage.“ Ob es ein besonders beliebtes Modell gibt? Jensen Brix: „Hier in Nordjütland sind bei Frauen vor allem meine roten Clogs angesagt. Aber die klassischen schwarzen Træsko gehen immer noch am besten.“ Im doppelten Sinn des Wortes. Und darum macht Mona Jensen Brix als eine von der letzten Clogs-Handwerker in Dänemark überhaupt hoffentlich noch viele Jahre weiter.
Information: Aså Traæsko & Sko, Skippergaden 13, Aså, Dänemark, Tel. 0045-98 37 10 20