Musik in Handarbeit: Bei Austrovinyl in der Steiermark lassen drei echte Vinylenthusiasten die klassische LP aufleben

Von Christoph Schumann

 

 

PORTRÄT. Fehring/Steiermark. Wie handgemachte Musik klingt, weiß Johann Fauster. Der Österreicher hat Musik studiert und viele Jahre lang klassisches Schlagzeug und Percussioninstrumente unterrichtet. Eine seiner größten Leidenschaften ist die Band, mit der der 43-Jährige regelmäßig auftritt. Seine eigentliche Bestimmung aber hat der gebürtige Steiermärker erst vor zwei Jahren gefunden, als Fauster gemeinsam mit Peter Wendler und Johann Koller seine alte Liebe zum Beruf machte: Im kleinen Fehring gründeten die drei heimatverbundenen Freunde Austrovinyl – das einzige Vinyl-Schallplattenwerk der Alpenrepublik. Das heißt, das Start-up in einem rund 300 Jahre alten Bürgerhaus in Gehabstand zu Kirche und Marktplatz ist alles andere als ein „Werk“. Im Gegenteil: Mit Austrovinyl haben die Enthusiasten eine eche Manufaktur gegründet. Jede Schallplatte, die der für die Produktion zuständige Fauster vorsichtig aus der Presse im Erdgeschoss hebt, ist echte Handarbeit.

Nur gut ein Jahr verging, ehe die 2016 erstmals geborene Idee einer Schallplattenproduktion Wirklichkeit wurde, erinnert sich Wendler. Zuvor war zwanzig Jahre lang zwischen Linz und Wien keine LP mehr gepresst worden. „Schon 2017 konnten wir die ersten eigenen LPs ausliefern“, so der 46-jährige, der als gelernter Maschinenbauingenieur schon überall auf der Welt gearbeitet hat, bevor auch er sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Nun ist Wendler für das praktische Know-how einer- sowie als Plattenfan und bekannter DJ andererseits für Technik und Vertrieb bei Austrovinyl zuständig. Verließ in den ersten Monaten etwa eine Produktion in der Woche das Haus in der Radkersburger Straße, sind es heute bis zu zwei Pressungen täglich. Der Vorteil: Mit den üblichen Auflagen von 100 bis 2000 Stück können die Enthusiasten ganz flexibel sein und kleine Aufträge kundenorientiert herstellen. Und das auf Wunsch innerhalb weniger Tage. Denn auch wenn die klassische Schallplatte weltweit ein Revival erlebt, wird Vinyl ein Nischenmarkt bleiben, glaubt Wendler.

„Wir sind überzeugt davon, dass schon in naher Zukunft Musiker nur noch zwei Möglichkeiten haben werden, ihre Musik zu vertreiben: Streaming und Vinyl“, so Wendler. Ein Live-Auftritt mit anschließendem Verkauf von Vinyl-LPs sei vor allem für kleinere Bands finanziell attraktiver. Dabei gehören nicht nur unbekannte Gruppen und Solisten zu den Kunden von Austrovinyl. Mit Namen wie Cari Cari, Granada, das Herbert Prixner Projekt oder dem hauptsächlich als Schriftsteller bekannten Michael Köhlmeier gehören auch überregional bekannte Musiker zum Portfolio der Fehringer. Einige lassen selbst produzieren, andere Aufträge kommen von den großen Labels der Künstler. Doch woher kommt überhaupt die Liebe zur Schallplatte? Peter Wendler lacht, denn diese Frage hat er erwartet: „Ganz klar: Wir möchten die digital produzierte Musik in die analoge Welt zurückholen. Fast alle Musik entsteht heute digital. Aber wir machen aus Nullen und Einsen ein neues Produkt – eines, das man in die Hand nehmen, fühlen und spüren kann. Und hören selbstverständlich auch.“ Dass alle Songdaten Austrovinyl über die Cloud erreichen, klingt dabei nur anfänglich nach einem Widerspruch.

 

Von digital zu analog

Denn alle Arbeitsschritte werden mit modernster Technik und Elektronik ausgeführt. Nach der Umwandlung der digitalen Daten in Wendlers großem Mastering-Studio im ersten Stock erfolgen ein sogenannter Mastercut und der Schnitt von Pressmatritzen, sozusagen der Mütter der späteren LP. Dann verlassen zunächst zwei Musterschallplatten die aus Schweden stammende moderne Plattenpresse. Erst nach dem Okay der Auftraggeber folgt die Serienpressung. Nach spätestens vier Wochen, oft sogar früher sind LPs oder Singles – drei Größen Vinyl-Schallplatten sind möglich – ausgeliefert. Wobei Plattencover und -hülle von Zulieferern stammen. Die eigentliche Pressung geschieht dann vollautomatisch: Nach dem Einfüllen des Kunststoffgranulats wird das in rund 25 verschiedenen Farben erhältliche Vinyl zunächst auf 100 Grad Celsius erwärmt. Gepresst wird Platte für Platte dann mit 140 Grad Celsius unter den strengen Augen von Johann Fauster.

 

Hand-crafted in Austria

Der ausgebildete Toningenieur nimmt die frischen Platten anschließend vorsichtig aus der Presse, unterzieht jede einzelne einer optischen Prüfung, um sie daraufhin zur allmählichen Abkühlung zu stapeln. Fauster: „Das Auskühlen braucht Zeit und etwas Gewicht. Andernfalls würden sich die Platten wölben. Das kennen sicher noch viele Fans von früher, als LPs manchmal nicht flach auf dem Plattenteller lagen. Qualität benötigt halt Zeit.“ In zwei Jahren Austrovinyl haben inzwischen etwa 200.000 Vinyl-Schallplatten die kleine Manufaktur in der österreichischen Provinz verlassen. Und in den nächsten Jahren sollen noch mehr werden. „wir glauben an die Zukunft der Musik. Und an die Zukunft von Vinyl“, sagt Peter Wendler. Und an die Zukunft von Handarbeit und „Hand-craftet in Austria“, so das Firmenmotto, ohne Frage auch.

 

Copyright Text und Fotos: Christoph Schumann, 2019/20

Buntes Endprodukt: Johann Fauster ist einer der Geschäftsführer von Austrovinyl und zuständig für die praktische Produktion und Pressung. Foto: C. Schumann, 2020
Buntes Endprodukt: Johann Fauster ist einer der Geschäftsführer von Austrovinyl und zuständig für die praktische Produktion und Pressung. Foto: C. Schumann, 2020