REPORTAGE Mandø/Ribe. Langsam rollen die Reifen unseres Autos über den Deich bei Vester Vedsted. Plötzlich liegt die scheinbar endlose Weite des Wattenmeers im Sonnenlicht vor uns. Nach wenigen Metern endet der Asphalt, die Straße wird zum groben Schotterweg. Nur vage ist in der Ferne unser Ziel zu erahnen: Mandø. Die dänische Nordseeinsel liegt zwischen ihren großen – und bekannteren – Schwestern Rømø im Süden und Fanø im Norden und ist etwas ganz Besonderes: Mandø ist das einzige Eiland im Königreich, das nur bei Ebbe zu erreichen ist. Keine Fähre und keine Brücke verbinden Mandø mit dem Festland – die rund 30 festen Bewohner und alle Ferien- oder Tagesgäste sind entweder auf die Fahrt mit einem Traktorbus oder das eigene Auto angewiesen.
Mit diesem geht es etwa sechs Kilometer durchs offene Watt. Wir fahren vorsichtig über Kies und Sand, um Steinschlag und mit Meerwasser gefüllte Schlaglöcher zu vermeiden. Etwa zwanzig Minuten später werden wir empfangen von Idylle pur: Schafe grasen auf sattem Grün der Deiche. Gänse setzen zum Sinkflug auf kleine Gräben an. Im Frühjahr und Herbst rasten hier zehntausende Zugvögel auf ihrem Weg von Süden nach Norden bzw. umgekehrt. Und während wir der Insel-Hauptstraße Annelbankevej folgen, wird in der Ferne schon die Mühle von Mandø sichtbar. Die in den 1830-er Jahren erbaute holländische Holzmühle steht gleich am Eingang zum Dorf Mandø By.
Kapitänshäuser und Höfe
Wir parken den Wagen und bummeln durch die verstreuten Häuser und Höfe des übersetzt Stadt genannten Örtchens. Vorbei an der alten Rettungsstation in den Dünen, die auf dem Weg zur Sturmflutsäule jenseits des Deichs liegt. Weiß leuchtet die kleine, weiße Kirche, die schon 1639 erstmals erwähnt wurde. Die kleine Naturausstellung im Klithus am Vestervej zeigt, wie sich Mandø durch die Naturgewalten von Wind und Meer permanent verändert und welchen Gefahren Mensch und Insel ausgesetzt sind. Ein Muss ist auch der Besuch im Museum Mandøhuset, einem reetgedeckten Kapitänshaus aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es nimmt Gäste mit auf eine kleine Zeitreise zurück in jene Tage, als das Leben weniger luxuriös, die große weite Welt aber gleich auf dem Meer vor Mandø lag.
Vom Verlassen und Bleiben
Geschichten vom Verlassen der Insel und Rückkehr gibt es auch heute noch. Ellen Hjorth Christensen ist auf Mandø aufgewachsen und hat Kindheit und Jugend zwischen Meer und Himmel erlebt. „Dann musste ich für zehn Jahre die Insel verlassen“, erinnert sich die heutige Besitzerin des kleinen Dorfladens. „Gründe waren Ausbildung und Arbeit – und ich musste einen Mann finden“, lacht die aktive Kauffrau. Das Glück war Christensen hold, und im letzten Jahr konnten beide mit Töchtern und Enkeln ihre Goldene Hochzeit feiern.
Eigentlich könnte Hjorth Christensen längt ihre Rente genießen. Stattdessen steht sie regelmäßig hinter dem Tresen von „Danmarks mindste Brugs“, Dänemarks kleinstem Brugsen, den zur genossenschaftlichen Coop-Gruppe gehörenden Lebensmittelgeschäften – in den Sommermonaten sieben Tage die Woche, im Winter immerhin drei. Fast alle Insulaner und dazu einige Weggezogene sind Mitglieder von „Mandø Dagli’ Brugsen“, der ein überraschend vollständiges Angebot an Waren für den täglichen Bedarf bietet: Zwischen Brot, Kuchen, Gemüse, Kartoffeln, Süßigkeiten, Saft, Bier, Wein, Putzmitteln und hunderten Dingen mehr fehlt nichts, was man im Urlaub – oder die Bewohner von Mandø daheim – benötigt. Souvenirs wie Postkarten sind natürlich auch dabei.
Wer kommt, hereinschaut und kauft? „Viele Tagesgäste, die mit dem Traktorbus zu uns hinüberkommen“, sagt Christensen. In der warmen Jahreszeit aber auch viele Camper, die auf dem nahen Campingplatz Ruhe und Frieden suchen. Auch wir genießen noch einige Stunden bei einem langen Strandspaziergang. Dann geht es zurück: Es ist Ebbe, die Nordsee hat den Låningsvejen wieder für einige Stunden freigegeben. Auch jeder Besuch auf Mandø ist eben bestimmt vom Rhythmus der Gezeiten.
Reiseinformation
Mandø liegt im dänischen Nationalpark Wattenmeer und gehört zum Unesco-Weltnaturerbe. Als einzige dänische Insel ist Mandø nur bei Ebbe zu erreichen: per Traktorbus ab Vester Vedsted über einen Ebbeweg auf dem Meeresboden oder über den erhöhten Damm Låningsvejen mit dem eigenen Pkw. Das nur 7,6 qkm große Eiland wird rundum von einem Deich gegen das Meer geschützt. Erstmals erwähnt wurde Mandø 1231 im sogenannten Waldemar-Erdbuch, in dem die Steuern unter König Valdemar erfasst wurde. Schon damals lebten Menschen auf der Insel.
Unterkunft
Ideal für kürzere Aufenthalte ist „B&B Mandø“, das sechs moderne, komplett ausgestattete Ferienwohnungen ab 650 DKK (ca. 87 Euro) pro Nacht vermietet. Mandø Byvej 7, 6760 Ribe, www.bb-mandoe.dk.
Naturtouren nach Mandø z.B. zum Thema Vögel oder Robben bietet das Wattenmeercenter in Vester Vedsted regelmäßig an, Tel. 004575446161, www.vadehavscentret.dk.
www.visitribe.de/de/ribe/mandoe-touristinformation-uber-die-perle-des-wattenmeers