Griechenlands Hauptstadt Athen: Eine Stadt wie ein Traum

Daran kommt kein Athen-Besucher vorbei: das Parthenon auf der Akropolis ist Athens Touristenmagnet. Foto: Christoph Schumann, 2020
Daran kommt kein Athen-Besucher vorbei: das Parthenon auf der Akropolis ist Athens Touristenmagnet. Foto: Christoph Schumann, 2020

Von Christoph Schumann

 

 

REPORTAGE Athen. Schon der Weg zu Nikos Tranos sprüht vor Kreativität. Gleich hinter dem alten Werktor tauchen die erste Wandmalereien auf. Graffitis zieren Wände in den Hinterhöfen und Aufgängen der zahlreichen Gebäude der Athens School of Fine Arts. Durch eine hohe Halle, in der Studentin Ecoletta Sotiarou an einer Büste arbeitet, geht es ins kleine Büro des griechischen Bildhauers, der unter anderem auf der Dokumenta 14 in Kassel vertreten war. Seit kurzem leitet Tranos die zu den ältesten Kunstakademien Europas zählende Hochschule mit ihren rund 2000 Studierenden. Die alte Weberei ist genau die richtige Adresse, um persönliche Tipps für die Entdeckung von Athen zu erhalten. Welche Museen darf man in der griechischen Hauptstadt auf keinen Fall verpassen? Welche Viertel sind gerade angesagt – bei Künstlern, bei Einheimischen? Nikos Tranos muss nicht lange überlegen, ehe er meine Vorstellungen vom ›richtigen‹ Städteerlebnis zur Seite wischt: „Natürlich denkt jeder bei Athen zuerst an klassische Kunst und an Museen wie unser Archäologisches Nationalmuseum oder das Museum für Kykladische Kunst“, so der Professor. Doch es lohne sich in jedem Land der Welt, moderne Kunst kennenzulernen. „Die findet man im neuen Museum EMST – aber vor allem auch in den Straßen. Street Art findet man in Athen immer öfter. Und immer öfter sind die Kunstwerke von unseren Absolventen“, so Tranos. Der mir zum Abschied anvertraut, wie er selbst unbekannte Städte erkundet: „Für mich ist auch das Erleben einer Stadt eine Kunst – einfach zu gehen, zu schauen, die Sinne zu öffnen und zu hören, wie eine neue Sprache klingt. Das kann wie ein Traum sein.“

Pangrati gestern und heute

Also hinaus in die von Orangenbäumen gesäumten Straßen Athens mit ihrem Vorfrühlingsduft und hinein in die neu entdeckten Quartiere der Millionenmetropole. Denn viele der in den letzten Krisenjahren vergessenen Viertel Athens erleben gerade eine Renaissance. Stadtteile wie Kipseli oder das auch Pagrati geschriebene Pangrati, die nur wenige Minuten abseits der beliebten Touristenviertel Psiri und Thission in Sichtweite der weltberühmten Akropolis liegen, werden gerade von jungen Kreativen wie Künstlern, Kunsthandwerkern oder Designern und Studierenden entdeckt. „Man wohnt bei uns noch bezahlbar und doch modern“, sagt Spyridon Kagkas, der selbst in Pangrati zuhause ist. Der 38-jährige ist einer der ehrenamtlichen Guides von „Visit Athens with a Local“, die Gästen ihren Kiez ganz persönlich nahebringen. Wir starten den Streifzug mit einem Cappuccino im „Ooh Boy“, einem der In-Cafés, in denen internationale Kaffeespezialitäten wie Latte Macchiato und Co. auf der Karte stehen. „Den starken griechischen Kaffee sucht man hier vergeblich“, lacht Kagkas. „Die jungen Griechen genießen im Café heute guten Milchkaffee – und freies Wlan.“

Streifzug durchs Viertel

Dann ziehen wir los, vorbei an Nationalgalerie, Kriegs- sowie Byzantinischem Museum, die alle in Pangrati liegen. Vorbei an kleinen Boutiquen und Ateliers durch die mit Graffiti geschmückten Straßen Rizari und Stravonos bis zum Platz Mesologiou. Unterwegs werfen wir einen Blick ins Ladenatelier von Bobby Chasioti. Im „Holy Wabbit“ bietet die Künstlerin selbstgemachten Schmuck und Skulpturen aus Papier wie den bunten Evzone – ein Mini-Wachsoldat, dessen Vorbild am Grab des unbekannten Soldaten vor dem Parlament am Syntagma-Platz steht und ein beliebtes Fotomotiv ist. „Nur zehn Fußminuten entfernt – also quasi um die Ecke“, so Spyridon Kagkas. Wir schlendern weiter über den Wochenmarkt in der Straße Archelaou und erreichen kurz darauf eine der größten Attraktionen von Pangrati: das historische Panathinaiko-Stadion wurde für die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 in hellem Marmor wieder aufgebaut. Von hier geht der Blick bis hinüber auf die Akropolis. Kagkas verabschiedet mich nach einem Streifzug durch das Basil & Elise Goulandris Museum. Das im letzten Herbst eröffnete Haus zeigt moderne Kunst aus der Sammlung einer griechischen Reederfamilie.

 

Die Taverne Klimataria - typisch griechisch essen

Zeit für eine Stärkung, denke ich. Und gehe einer Empfehlung nach, die mir Freunde mit auf den Weg gegeben haben: die Taverne Klimataria im Herzen von Psiri liegt unweit der traditionsreichen Markthallen, in denen es täglich frisches Gemüse, Obst und Fleisch gibt. Nach einigem Suchen ist das Restaurant an der Platia Theatrou gefunden – ein flacher Altbau, gelb leuchtend und doch versteckt zwischen den modernen Geschäftshäusern der Umgebung. „Willkommen in einer der ältesten Tavernen Athens“, begrüßt mich Maria Sotou im schon 1927 eröffneten Gasthaus. Das frühere Weinlager, in dem die alten Fässer nur noch eine Reminiszenz an die Anfänge sind, kehren heute Einheimische ebenso wie Cityreisende ein. Denn die Speisekarte überzeugt mit klassischen Gerichten und typischen Zutaten wie sanft gegartes Lammfleisch, Auberginen oder Selinorizia, Knollensellerie mit Karotten und Erbsen. Dazu gibt es wie seit Generationen einen einfachen Hauswein, kein prämierter Wein, aber immer trinkbar.

Vom Handwerk des Bouzoukibaus

Apropos seit Generationen: Ich wollte ja noch einem weiteren Tipp folgen – den Spuren des Rebetiko. Im Viertel Exarchia war noch vor einigen Jahren die Dichte von Instrumentenbauern beeindruckend hoch. Nach den Jahren der Wirtschaftskrise gibt es vielleicht noch eine Handvoll Handwerker, die Gitarren und Bouzoukis bauen – die griechische Laute, die dem Rebetiko seinen typischen Klang gibt. „Rebetiko ist die Musik unserer Heimat“, sagt Giannis Papadopoulos. „Der Stil entstand um 1900 in den Gefängnissen. Darum handeln die frühen Texte von Drogen und Gewalt“, so Papadopoulos, der in seiner Ladenwerkstatt in der Emmanouil Benaki Str. seit den 1980er Jahren Zupfinstrumente baut. Rund 250 Stunden braucht der in Mannheim geborene Grieche für eine akustische Gitarre aus Meisterhand, die ab 2000 Euro kostet. Schönheit und reiner Klang haben ihren Preis. Viele seiner Gitarren und Bouzoukis werden auch von Rebetiko-Musikern gespielt, so Papadopoulos: „Die Texte zu oft getragenen Melodien handeln nun aber von Liebe und Liebesleid, manchmal sind sie sogar lustig. Rebetiko hat sich vom Underground zum griechischen Blues entwickelt.“ Entdecken kann man die auch Rembetiko genannte Volksmusik nicht in Clubs, sondern in Tavernen und Gasthäusern. Denn, so Papadopoulos, „wir Griechen unterhalten uns gern zur Musik, wir tanzen, essen und trinken dazu. Rebetiko ist Leben in seiner ganzen Fülle“. Welch sinnliches Erlebnis live gespielter Rebtiko sein kann, beweist ein abendliches Konzert im „1002 Nyxtes“: Im Restaurant spielen mit Kostas Dumouliakas und Manolis Pappos samt Band regelmäßig einige der großen Rebetiko-Namen auf. Ihre lebensfroh-schwermütigen Lieder untermalen die Gespräche der Gäste mit dem wiederentdeckten Sound des alten Athen, das reich an Zukunft ist.

Reiseinformationen

Mein Besuch in Athen fand Ende Februar 2020 statt - kurz vor dem Ausbruch der Coronavirus-Krise und dem Lockdown in Griechenland, großen Teilen Europas und dem Ende des Reise- und Urlaubsverkehrs im Frühjahr 2020. Jetzt, im Mai, zeichnen sich endlich erste Lockerungen ab. Reisen innerhalb Europas scheinen bald wieder möglich. Auch in Athen ist die Ausgangssperre aufgehoben, die Menschen dürfen wieder in Restaurants oder Cafés gehen –und vor allem an den Strand.

 

Allgemeine Tipps, Trends, Aktuelles und mehr zu Athen auf www.discovergreece.com/de bzw. www.discovergreece.com/de/attica/athens

 

Anreise

Direktflüge von Deutschland ab verschiedenen Flughäfen mehrmals pro Woche u.a. mit der griechischen Airline Aegean ab ca. 150 Euro, https://de.aegeanair.com/ (Stand: Februar 2020)

 

Unterwegs in Athen

Eine der schönsten Arten, die griechische Hauptstadt zu entdecken, sind Führungen mit Einheimischen durch ihre Stadtteile. Terminanfragen für die kostenlosen Touren mit „This is Athens with a Local“ unter www.thisisathens.org

 

Restaurant

Eine der ältesten originalen Tavernen in Athen mit typischen Gerichten und Hauswein ist die Klimataria Tavern, 3, Plateia Theatrou, Athen, klimataria.gr

 

Hoteltipp

Citynah und persönlich mit Preisen ab ca. 75 Euro für ein Doppelzimmer ist das Stratos Vassilikos Hotel, 114 Michalakopoulou, Athen, www.airotel.gr/de/Stratos-Vassilikos-793.htm

 

Copyright Text und Fotos: Christoph Schumann, Hamburg, 2020

Geschichte pur: der Tempel des Hephaistos im historischen Viertel Agora. Foto: Christoph Schumann, 2020
Geschichte pur: der Tempel des Hephaistos im historischen Viertel Agora. Foto: Christoph Schumann, 2020