Dänisches Hirtshals testet Bio-Fischnetze gegen Mikroplastik in der Nordsee

Dänischer Fischtrawler auf der Nordsee. Foto: Hirtshals Havn/Esther Savina/PR
Dänischer Fischtrawler auf der Nordsee. Foto: Hirtshals Havn/Esther Savina/PR

NEWS Wissenschaft Hirtshals (cs). Hafen und Fischer in Hirtshals verstärken ihre Anstrenungen zur Vermeidung von Plastik und Mikroplastik in der Nordsee. Erstmals testen lokale Fischer der norddänischen Hafenstadt gemeinsam mit Meeresforschern des nationalen Instituts für aquatische Ressourcen, DTU Aqua, den Einsatz von biologisch abbaubaren Fangnetzen. Die neuen Fanggeräte werden im Rahmen des vom Europäischen Meeres- und Fischereifond (EMFF/EMFAF) sowie der dänischen Fischereibehörde finanzierten sogenannten Biogarn-Projekts in den kommenden sechs Jahren lang beim Fang von Dorsch und Scholle erprobt. Die neuen Test-Netze werden beim Dorsch- und Schollenfang eingesetzt. Sie bestehen aus PBSAT-Polymer, einem thermoplastischen, biologisch abbaubaren und kompostierbaren Kunststoff (Coplymer) aus der Gruppe der Polyester.

Biologisch abbaubare Fischernetze

Die Fischerei gehört zu den größten Verursachern von Plastikmüll in den Meeren. Einen wesentlichen Anteil daran haben verloren gegangene oder gerissene Netze. Diese bestehen meist aus Nylon oder anderen kräftigen Kunststoffen bestehen, die schließlich als Mikroplastik enden können. Biologisch abbaubare Materialien können jedoch Teil der Lösung für weniger umweltschädliche Fischernetze sein. Nach Angaben des Europäischen Parlaments sind Fischerei und Aquakultur für 27 Prozent des Meeresmülls verantwortlich. Deshalb fordert die EU, die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen, beispielsweise durch mehr Recycling und nachhaltigere Materialien im Fischereigewerbe der Fischerei. Ein Ergebnis des Praxistest soll sein, ob die bislang am Markt verfügbaren nachhaltigen Fangnetze auch im nordeuropäischen Einsatz bewähren. „Die biologisch abbaubaren Fischernetze werden in Asien hergestellt und sind daher in erster Linie an das asiatische Klima angepasst, das sich von den europäischen und vor allem skandinavischen Bedingungen stark unterscheidet“, sagt Expertin Esther Savina von Dänemarks Technischer Universität Aqua (DTU) in Hirtshals. Daher sei es wichtig herauszufinden, welche biologisch abbaubaren Materialien für die heimischen nordischen Gewässer geeignet seinen.

Rotbarsch auf einem dänischen Trawler. Foto: Hirtshals Havn/Esther Savina/PR
Rotbarsch auf einem dänischen Trawler. Foto: Hirtshals Havn/Esther Savina/PR

Zersetzungsdauer wird untersucht

Bei ihren Versuchen können die dänischen Forscher auf die Kooperation zahlreicher Fischer setzen. „Für uns als Fischer ist es entscheidend, dass die Netze dem harten Einsatz auf See standhalten. Die Netze, die wir bisher getestet haben, sind nicht so haltbar wie herkömmliche Nylonnetze, aber wir freuen uns, dass wir unser Wissen und unsere Erfahrung darüber einbringen können, was biologisch abbaubare Fischernetze können sollten. Wir können das Umweltproblem mit den Netzen nur lösen, wenn es im Arbeitsalltag praktisch und wirtschaftlich sinnvoll ist", unterstreicht Niels Kristian Nielsen, Vorsitzender des Fischerverbands in Hirtshals. Bei defekten oder auf dem Meer verloren gegangenen Fischernetzen besteht die Gefahr, dass diese weiter fischen – die sogenannte Geisterfischerei. Wie lang die Zerfalls- bzw. Zersetzungsdauer konventioneller Fischernetze ist, wird deshalb im Rahmen des von der UiT Norwegian Arctic University geleitete Projekts Dsolve an Netzen untersucht, die sich in den vergangenen Jahren am Grund des Hafens von Hirtshals gesammelt haben. Finanziert wird die Untersuchung mit norwegischen Mitteln.


Erstes Resultat: Netze bauen sich nicht so schnell ab wie erwartet
„In den europäischen Gewässern gibt es große Temperatur- und Bakterienunterschiede. Deshalb ist es wichtig, mehr darüber zu erfahren, wie sich biologisch abbaubare Netze an unterschiedlichen Orten verhalten und wie schnell sie abbaubar sind“, unterstreicht Rikke Petri Frandsen, Professorin am DTU Aqua. „Wir führen deshalb begleitend auch Tests in Deutschland, Kroatien und Norwegen durch.“ Erste Resultate regten allerdings zum Nachdenken an, so Petri Frandsen: „Bisher bauen sich die Netze nicht so schnell ab wie wir erwartet haben. Dennoch gewinnen wir wertvolle Erkenntnisse darüber, was ein gutes Fischernetz ausmacht. Das wiederum fließt langfristig in die Entwicklung von neuen, weniger umweltschädlichen und hochfunktionalen Netzen ein.“ Wann mit ersten Ergebnissen der neuen Versuche mit biologisch abbaubaren Fischernetzen in Hirtshals zu rechnen ist, steht noch nicht fest. Der Hafen an der Tannis Bucht gehört zu Dänemarks größen Fischereihäfen. Auf der 1930 gegründete Fischauktion werden alljährlich Fische und Meeresfrüchte im mittleren zweistellingen Euro-Millionenbereich verkauft und nach ganz Europa exportiert.

Text und Recherche: Christoph Schumann, Frühjahr 2024.