NEWS Montbéliard (pr). Nach einer umfassenden Renovierung hat das Schloss der Herzöge von Württemberg im französischen Montbéliard jetzt zu Beginn der neuen Saison wieder seine Tore geöffnet. Das historische Wahrzeichen Montbéliards ist in neuem Glanz erlebbar. Der neu gestaltete Rundgang durch das Schlossmuseum lädt dazu ein, die faszinierende Geschichte Montbéliards zu entdecken. Über vier Jahrhunderte hinweg stand die Stadt unter der Herrschaft der Grafen und Herzöge von Württemberg, deren außergewöhnliches Leben und Einfluss die Region maßgeblich prägten.
REPORTAGE
Mulhouse/Frankreich (cs). Unbeschwert war die Liebe zum Auto auch schon vor Jahrzehnten nicht immer. Jedenfalls wenn sie Dimensionen annahm, die Außenstehende nicht nachvollziehnen können – oder sollten. So wie im Fall der Brüder Hans und Fritz Schlumpf aus dem elsässischen Mülhausen, die mit ihrer Leidenschaft die Grundlage zum heute größten Museum seiner Art weltweit legten mit mehr als 600 außergewöhnlichen Fahrzeugen von Bugatti bis Rolls-Royce. Die Geschichte des längst zum nationalen französischen Kulturgut zählenden „Musée National de l’Automobile –Sammlung Schlumpf“ ist ebenso wechselvoll wie kämpferisch. Und erinnert damit auch an die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen, die derzeit um die Rolle des Autos geführt werden.
Hans und Fritz Schlumpf werden 1904 und 1906 in Italien als Kinder eines Schweizer Vaters, Carl, und einer Mutter aus Mulhouse, Jeanne Becker, geboren. Die Familie lässt sich 1906 in Mulhouse nieder. Nach dem Tod von Carl Schlumpf wird Hans auf eine Privatschule in der Schweiz geschickt und erwirbt ein Kaufmannsdiplom. Er arbeitet in verschiedenen Banken in Mulhouse, ehe er sich 1929 mit seinem Bruder zusammenschließt. Der hatte in Mulhouse in Textilunternehmen angeheuert und sich 1928 als Wollhändler selbstständig gemacht. 1935 gründen die beiden Brüder die SAIL (Société Anonyme pour l'Industrie Lainière, Aktiengesellschaft für die Wollindustrie), kaufen ihre ersten Aktien der Spinnerei in Malmerspach und übernehmen die Mehrheit an verschiedenen Unternehmen.
REPORTAGE Montbéliard/Frankreich (cs). 400 Jahre lang gehörte Montbéliard zu Württemberg – heute ist die ostfranzösische Stadt ein idealer Halt auf halbem Weg zwischen Nordddeutschland und Südfrankreich. Geschichte und Industriegeschichte prägen das Bild des lebendigen Ortes.
Mittelalterlicher Kern
„Ich lebe gern in Montbéliard“, lacht Anais Baronnat, während wir auf dem Rundgang vor der Kirche Saint Martin im Herzen der 25.000-Einwohner-Stadt angekommen sind. Das 1604 erbaute Gotteshaus ist heute die älteste evangelische Kirche des Landes (und leider gerade wegen Renovierung geschlossen). „Montbéliard verbindet alt und neu. Es hat einen mittelalterlichen Kern rund um das Schloss hoch oben auf dem Felsen. Gleichzeitig hat es aber viele moderne Seiten wie eine renommierte Musikakademie, Cafés und natürlich das Werk von Stellantis mit dem Peugeot-Museum“, ergänzt die junge Französin, die der Beruf vor zwei Jahren aus dem südlichen Narbonne in den Osten Frankreichs verschlagen hat. Nicht einmal eine Stunde ist es von Basel in der Schweiz, ebensoweit via Mulhouse bis an die deutsche Grenze bei Müllheim.
NEWS Gaillac/Tarn. Die ältesten und bekanntesten Weinlagen des Departements Tarn erstrecken sich rund um Gaillac. Das "Gaillacois" ist jedoch mehr als nur ein Weinbaugebiet. Zwischen Wäldern und sonnigen Feldern erheben sich sehenswerte mittelalterliche Dörfer. Belebte Kleinstädte mit Fachwerk, Backsteinarchitektur und Marktplätzen sind Gelegenheit Land und Leute kennen zu lernen. In verstreut liegenden Weingütern werden Gäste willkommen geheißen, sei es für einen Aufenthalt oder nur eine Weinprobe. Und überall herrscht die typisch gastfreundliche Atmosphäre in der man sich sofort wohl fühlt.
Von Christoph Schumann
REPORTAGE Beaune. Erst einen Schluck vom Roten? Oder doch etwas vom leichteren Rosé? „Unser Rosé ist seltener“, sagt Fanny Roucault und rät dazu, zunächst den helleren Wein zu verkosten, den wir im Jahrhunderte alten Weinkeller des Weinguts in Orches genießen. Schon in achtzehnter Generation bauen die französischen Winzer in und um den kleinen Bergort, der rund eine halbe Autostunde von Beaune entfernt liegt, hochkarätige Weine an. „Der Rosé ist dabei aber eher eine Seltenheit und wird tatsächlich am meisten von Frauen geschätzt“, lacht Roucault. „Wie fast im ganzen Burgund bildet auch bei uns aber Rotwein den Schwerpunkt“, so die Seniorchefin, während wir aus das französisch Cave genannte Gewölbe ins Tageslicht verlassen.
Lourdes. Einzeln werden die Pilgergruppen begrüßt, die sich an diesem späten Samstag Nachmittag auf dem weiten Prozessionsplatz vor der neo-byzantinischen Basilika Mariä Empfängnis in Lourdes versammeln. Gläubige aus ganz Europa sind darunter, viele Katholiken aus Mittelamerika – und tausende besonders weit gereiste Marienverehrer und -verehrerinnen von den Philippinen, die sich um die gekrönte Marienstatue versammeln. Die Zahl der Fernreisenden steigt im Wallfahrtsort am Fuß der französischen Pyrenäen von Jahr zu Jahr. Dagegen kommen heute spürbar weniger Pilgerzüge oder –busse aus den einst mehrheitlich repräsentierten europäischen Ländern wie Spanien, Italien Deutschland, Österreich oder Frankreich selbst.
Luz Saint-Saveur. Die französischen Pyrenäen gehören mit Bergpässen wie dem 2115 Meter hohen Col du Tourmalet zu den Highlights der Tour de France – mit einem E-Bike wird das Erklimmen der Gipfel auch für Radurlauber zum Genuss.
Die einen sammeln Bergpässe und Höhenkilometer. Die anderen Trikots und Rennräder der unvergessenen Stars der Tour de France. Wie Christian Lafont und Jean-Pierre Souvergielle, die beide weit über ihre Heimat in den französischen Pyrenäen hinaus als Botschafter des Lebensgefühls Radfahren gelten.
Der rasende Feuerwehrmann Lafont wurde 2013 Radweltmeister der Brandlöscher in seiner Altersklasse. Doch erst nach 30 Berufsjahren hat der 60-Jährige aus Luchon kürzlich sein Hobby zum Beruf gemacht und ein Radsportgeschäft eröffnet. „Für mich erfüllt sich damit ein Traum“, sagt der drahtige Vielfahrer, der mehrmals pro Woche schon vor Ladenöffnung 160 Kilometer in den Bergen rund um den Thermalort trainiert.
REPORTAGE St. Denis/La Réunion. Ein verführerischer Duft aus Linsen, Knoblauch, gegrilltem Fleisch, Reis und exotischen Gewürzen durchzieht die Küche von Elourda Severin. Mit gekonnten Handgriffen und gezielten Tipps weist die 54-Jährige ihre weit gereisten deutschen Gäste in die Kochkunst ihrer Heimat ein: „Die kreolische Küche ist unsere einzigartige Kombination aus indischen, afrikanischen, französischen und chinesischen Zutaten. Über alle Schichten, Generationen und Herkunft hinweg verbindet sie die Menschen hier auf La Réunion“, sagt unsere Gastgeberin, die regelmäßig Neugierige zum Table d’Hôtes in ihre Privatküche im Bergort Les Avirons einlädt.
Das südfranzösische Carcassonne besitzt mit der Wasserstraße Canal du Midi und seiner mittelalterlichen Cité gleich zwei Unesco-Welterbestätten - eine Reportage
Luneville. Das französische Lothringen ist reich an alter Handwerkskunst – die Herstellung von Kristall, Glas, Stickerei, Steingut und andere Traditionen können Reisende hautnah erleben
Lunéville. Wenn Karl Lagerfeld anruft, schlägt das Herz von Maryvonne Francois-Remy schneller. Denn Aufträge des in Hamburg geborenen Modezaren gehören zu den Lieblingsprojekten der französischen Stickkünstlerin aus Lunéville im französischen Lothringen. „Es gibt einfach nichts Schöneres für mich, als für die Haue Couture zu arbeiten“, sagt die lebenslustige Kunsthandwerkerin. „Denn dann kann ich noch einmal zeigen, wie hochkarätig und fein diese Arbeit ist.“
REPORTAGE von Christoph Schumann
Kolding/Hamburg (cs). Irgendwann musste es einfach sein. Einige Jahre schwirrte Carsten Grubach die Idee bereits im Kopf herum. Sogar erste Vorplanungen hatte der dänische Autor schon gemacht – als die Coronapandemie die Reisewege des Endsechzigers kreuzte und das Datum hinausschob. „Im vorletzten Jahr war es dann endlich soweit“, erzählt Carsten Grubach im Gespräch mit unserer Zeitung. „Da bin ich los“, so der Journalist aus Kolding in Südjütland. Das Projekt des Globetrotters: Einmal Deutschland von A bis Z bereisen. Am besten in alphabetischer Reihenfolge und am Stück. Das hieß konkret: von Albersdorf bis Zarpen.
„Dass Anfang und Ende meiner Entdeckungsreise in Schleswig-Holstein liegen, ist deshalb natürlich kein Zufall“, sagt Carsten Grubach. Schließlich wollte der vielbeschäftigte Autor schon unmittelbar hinter – und auf dem Heimweg noch vor – der deutsch-dänischen Grenze Neues erleben. Und manchmal auch alte Verbindungen wiederfinden: „25167 ist nicht die Einwohner- von Albersdorf, sondern die Postleitzahl von Albersdorf. Der Ort im Westen der Marsch hat nämlich nur 3774 Bewohner. (…) Und im einst zu Dänemark gehörenden Dithmarschen kann man von einem 21 Meter hohen Aussichtsturm weit blicken.“ Dazu erkundet Grubach noch voller Neugier die kleine Büchertauschbox am Bahnhof, die nicht nur Zugreisenden „Vitamine fürs Gehirn“ bietet. Es sind solche kleinen Unterschiede, die dem Journalisten besonders auffallen – denn Büchertauschhäuser dieser Art gibt es im kleinen Königreich nicht.
Schauen, sammeln und schreiben
Zur Fortbewegung wählte der Familienvater übrigens nicht die Schiene. „Geschuldet ist dies meinem Plan, kleinere, verhältnismäßig unbekannte deutsche Städte zu finden“, skizziert Grubach. Diese sollten eher an der Peripherie der Bundesländer liegen als im Zentrum. Ein Grund dafür, dass der Däne die drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen bewusst ausließ. Dazu wollte Grubach die an einem Silvesterabend vor fünf Jahren auf der Landkarte ausgewählten Orte möglichst unvoreingenommen ansteuern. „Vor Ort vielleicht ein wenig googeln, mehr aber nicht“, so Grubach. „Das war keineswegs Faulheit. Aber ich wollte mich nicht vorbereiten, um ohne Voraussetzungen anzukommen, zu schauen und dann zu schreiben.“ Grubachs Vorbild waren dabei die berühmten dänischen Dogma-Regisseure der 1990er Jahre um Thomas Vinterberg und Lars von Trier. Auch sie arbeiteten vor Ort mit Ton und Kamera „on location“, frei und assoziativ ohne streng festgelegtes Drehbuch. „Meist hat man als Reisejournalist aber einen festen Ablauf randvoll mit Terminen“, weiß Carsten Grubach. „Ich wollte aber möglichst frei sein.“
Am Ende fuhr und schlenderte Grubach rund einen Monat durch deutsche Kleinstädte. Fand Kuhversteigerungen im niedersächsischen Cloppenburg. Staunte über Europas größte Kanalkreuz in Datteln in Nordrhein-Westfalen. Probierte das Quellwasser in Gerolstein in der Eifel. Staunte über das Römerlager in Xanten am Rhein unweit der Niederlande. Und strandete an einem kalten Frühjahrstag im baden-württembergischen Yach bei Freiburg, um festzustellen, dass sowohl das Gasthaus Adler wie das Gasthaus Sonne gleichzeitig „Ruhetag“ haben und nicht auf nordische Gäste warteten. Dafür traf der Däne in Freudenberg im Siegerland einen japanischen Blogger, der die zahlreichen idyllischen Fachwerkhäuser fleißig für seine Landsleute auf Instagram posteste. „Das wollte ich aber nicht“, unterstreicht Grubach, „also quasi live von unterwegs bloggen und streamen. Da bin ich konservativ, ich bleibe beim Schreiben und Fotografieren.“ Stattdessen erschienen die Reportagen als Serie von insgesamt sieben Artikeln im letzten Sommer in den fünfzehn Tageszeitungen des dänischen Verlags JyskFynske Medier, darunter so große Regionalblätter wie JyskeVestkysten in Jütland oder Fyens Stiftstidende auf Fünen. Rund 600.000 dänische Leser erfuhren so in Print- wie Onlineform Spannendes aus ihnen unbekannten Provinzen und (Klein-)Städten des südlichen Nachbarn.
Überraschende Unterschiede zwischen West und Ost kennengelernt
„Auch in den vergangenen drei Jahrzehnten war ich immer wieder überall in Deutschland unterwegs“, erinnert sich Grubach. „Und trotzdem habe ich auch jetzt noch viel Überraschendes kennengelernt.“ Das gelte nicht nur, aber vor allem auch für die neuen Bundesländer, so der nordische Experte. „Dass beispielsweise das brandenburgische Rathenow das große Zentrum für Optik in der DDR war, wusste ich nicht“, so Grubach. Und auch Angela Merkels enge Verbindung zum ebenfalls in Brandenburg liegenden Templin ging dem Journalisten erst beim Ortsbesuch auf. Überhaupt fiel Carsten Grubach erst durch den Besuch aller Bundesländer auf, wie groß nach wie vor die Ungleichheiten zwischen West- und Ostdeutschland sind. Das sächsische Pirna an der Elbe bei Dresden zeige sich zwar renoviert voll historischer städtebaulicher Schönheit. „Doch dass der Abstand zwischen den Menschen und der Politik in den fünf neuen Ländern größer zu sein scheint als im Westen, fiel mir nicht nur in Pirna auf“, unterstreicht der Jüte, der fließend Deutsch spricht und neben seiner journalistischen Tätigkeit auch mehrmals im Jahr als Leiter von Studienreisen für dänische Anbieter zwischen Flensburger Förde und Bodensee unterwegs ist.
Die Sorgen der Menschen nicht ignorieren
„Besonders die mentalen Unterschiede und die Einstellung zur Politik wirken groß, finde ich“, so Grubach weiter. „Das hat immer noch mit der Geschichte und Kultur zu tun, zugleich aber auch mit mentalen, oft auch nur regionalen Einstellungen zu Gesellschaft, Institutionen oder Wirtschaft.“ Manche Begegnungen hätten ihm die Augen geöffnet für die Probleme, die Deutschland anders als Dänemark umtreiben. „Insofern habe ich richtig viel gelernt, muss ich sagen. Und dennoch glaube ich, dass es in Deutschland gar nicht die Lethargie gibt, von der so viele sprechen“, fasst Carsten Grubach seine Eindrücke zusammen. „Veränderungen sind immer schwer, ob politisch oder wirtschaftlich. Da braucht es einfach Zeit. Oder vielleicht auch mehr Zeit.“
„Blicke optimistisch auf Deutschland“
Seiner Meinung nach seien es fast überall die kleinen Initiativen die den lokalen Zusammenhalt stärkten. Und damit letztlich das große Ganze. So wie in Zarpen bei Lübeck, der letzten Station von sechsundzwanzig seiner Reise. „Zunächst wirkte es, als wäre an dem verschlafenen Sonntag im September, als ich durch Storman kam, gar nichts los“, weiß Carsten Grubach noch wie heute. „Dann aber sah ich zufällig das Schild ›Kleidermarkt‹ und dachte, da muss ich hin.“ Und so kam der Däne auf dem Flohmarkt zwischen Schule und Boulebahn ins Gespräch mit engagierten Freiwilligen, die ihren freien Sonntag der guten Sache opfern: Denn ein Teil der Einnahmen fließt in Aktivitäten der Bildungseinrichtung und kommt so dem Dorf – das wie Albersdorf im 15. Jahrhundert unter König Christian 1. dänisch war – direkt zugute. „Das macht Mut und lässt mich optimistisch auf Deutschland sehen“, so Grubachs Fazit.
Stand meiner Reportage: Januar/Februar 2025.
REPORTAGE von Christoph Schumann
Kolding/Hamburg (cs). Irgendwann musste es einfach sein. Einige Jahre schwirrte Carsten Grubach die Idee bereits im Kopf herum. Sogar erste Vorplanungen hatte der dänische Autor schon gemacht – als die Coronapandemie die Reisewege des Endsechzigers kreuzte und das Datum hinausschob. „Im vorletzten Jahr war es dann endlich soweit“, erzählt Carsten Grubach im Gespräch mit unserer Zeitung. „Da bin ich los“, so der Journalist aus Kolding in Südjütland. Das Projekt des Globetrotters: Einmal Deutschland von A bis Z bereisen. Am besten in alphabetischer Reihenfolge und am Stück. Das hieß konkret: von Albersdorf bis Zarpen.
„Dass Anfang und Ende meiner Entdeckungsreise in Schleswig-Holstein liegen, ist deshalb natürlich kein Zufall“, sagt Carsten Grubach. Schließlich wollte der vielbeschäftigte Autor schon unmittelbar hinter – und auf dem Heimweg noch vor – der deutsch-dänischen Grenze Neues erleben. Und manchmal auch alte Verbindungen wiederfinden: „25167 ist nicht die Einwohner- von Albersdorf, sondern die Postleitzahl von Albersdorf. Der Ort im Westen der Marsch hat nämlich nur 3774 Bewohner. (…) Und im einst zu Dänemark gehörenden Dithmarschen kann man von einem 21 Meter hohen Aussichtsturm weit blicken.“ Dazu erkundet Grubach noch voller Neugier die kleine Büchertauschbox am Bahnhof, die nicht nur Zugreisenden „Vitamine fürs Gehirn“ bietet. Es sind solche kleinen Unterschiede, die dem Journalisten besonders auffallen – denn Büchertauschhäuser dieser Art gibt es im kleinen Königreich nicht.
Schauen, sammeln und schreiben
Zur Fortbewegung wählte der Familienvater übrigens nicht die Schiene. „Geschuldet ist dies meinem Plan, kleinere, verhältnismäßig unbekannte deutsche Städte zu finden“, skizziert Grubach. Diese sollten eher an der Peripherie der Bundesländer liegen als im Zentrum. Ein Grund dafür, dass der Däne die drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen bewusst ausließ. Dazu wollte Grubach die an einem Silvesterabend vor fünf Jahren auf der Landkarte ausgewählten Orte möglichst unvoreingenommen ansteuern. „Vor Ort vielleicht ein wenig googeln, mehr aber nicht“, so Grubach. „Das war keineswegs Faulheit. Aber ich wollte mich nicht vorbereiten, um ohne Voraussetzungen anzukommen, zu schauen und dann zu schreiben.“ Grubachs Vorbild waren dabei die berühmten dänischen Dogma-Regisseure der 1990er Jahre um Thomas Vinterberg und Lars von Trier. Auch sie arbeiteten vor Ort mit Ton und Kamera „on location“, frei und assoziativ ohne streng festgelegtes Drehbuch. „Meist hat man als Reisejournalist aber einen festen Ablauf randvoll mit Terminen“, weiß Carsten Grubach. „Ich wollte aber möglichst frei sein.“
Am Ende fuhr und schlenderte Grubach rund einen Monat durch deutsche Kleinstädte. Fand Kuhversteigerungen im niedersächsischen Cloppenburg. Staunte über Europas größte Kanalkreuz in Datteln in Nordrhein-Westfalen. Probierte das Quellwasser in Gerolstein in der Eifel. Staunte über das Römerlager in Xanten am Rhein unweit der Niederlande. Und strandete an einem kalten Frühjahrstag im baden-württembergischen Yach bei Freiburg, um festzustellen, dass sowohl das Gasthaus Adler wie das Gasthaus Sonne gleichzeitig „Ruhetag“ haben und nicht auf nordische Gäste warteten. Dafür traf der Däne in Freudenberg im Siegerland einen japanischen Blogger, der die zahlreichen idyllischen Fachwerkhäuser fleißig für seine Landsleute auf Instagram posteste. „Das wollte ich aber nicht“, unterstreicht Grubach, „also quasi live von unterwegs bloggen und streamen. Da bin ich konservativ, ich bleibe beim Schreiben und Fotografieren.“ Stattdessen erschienen die Reportagen als Serie von insgesamt sieben Artikeln im letzten Sommer in den fünfzehn Tageszeitungen des dänischen Verlags JyskFynske Medier, darunter so große Regionalblätter wie JyskeVestkysten in Jütland oder Fyens Stiftstidende auf Fünen. Rund 600.000 dänische Leser erfuhren so in Print- wie Onlineform Spannendes aus ihnen unbekannten Provinzen und (Klein-)Städten des südlichen Nachbarn.
Überraschende Unterschiede zwischen West und Ost kennengelernt
„Auch in den vergangenen drei Jahrzehnten war ich immer wieder überall in Deutschland unterwegs“, erinnert sich Grubach. „Und trotzdem habe ich auch jetzt noch viel Überraschendes kennengelernt.“ Das gelte nicht nur, aber vor allem auch für die neuen Bundesländer, so der nordische Experte. „Dass beispielsweise das brandenburgische Rathenow das große Zentrum für Optik in der DDR war, wusste ich nicht“, so Grubach. Und auch Angela Merkels enge Verbindung zum ebenfalls in Brandenburg liegenden Templin ging dem Journalisten erst beim Ortsbesuch auf. Überhaupt fiel Carsten Grubach erst durch den Besuch aller Bundesländer auf, wie groß nach wie vor die Ungleichheiten zwischen West- und Ostdeutschland sind. Das sächsische Pirna an der Elbe bei Dresden zeige sich zwar renoviert voll historischer städtebaulicher Schönheit. „Doch dass der Abstand zwischen den Menschen und der Politik in den fünf neuen Ländern größer zu sein scheint als im Westen, fiel mir nicht nur in Pirna auf“, unterstreicht der Jüte, der fließend Deutsch spricht und neben seiner journalistischen Tätigkeit auch mehrmals im Jahr als Leiter von Studienreisen für dänische Anbieter zwischen Flensburger Förde und Bodensee unterwegs ist.
Die Sorgen der Menschen nicht ignorieren
„Besonders die mentalen Unterschiede und die Einstellung zur Politik wirken groß, finde ich“, so Grubach weiter. „Das hat immer noch mit der Geschichte und Kultur zu tun, zugleich aber auch mit mentalen, oft auch nur regionalen Einstellungen zu Gesellschaft, Institutionen oder Wirtschaft.“ Manche Begegnungen hätten ihm die Augen geöffnet für die Probleme, die Deutschland anders als Dänemark umtreiben. „Insofern habe ich richtig viel gelernt, muss ich sagen. Und dennoch glaube ich, dass es in Deutschland gar nicht die Lethargie gibt, von der so viele sprechen“, fasst Carsten Grubach seine Eindrücke zusammen. „Veränderungen sind immer schwer, ob politisch oder wirtschaftlich. Da braucht es einfach Zeit. Oder vielleicht auch mehr Zeit.“
„Blicke optimistisch auf Deutschland“
Seiner Meinung nach seien es fast überall die kleinen Initiativen die den lokalen Zusammenhalt stärkten. Und damit letztlich das große Ganze. So wie in Zarpen bei Lübeck, der letzten Station von sechsundzwanzig seiner Reise. „Zunächst wirkte es, als wäre an dem verschlafenen Sonntag im September, als ich durch Storman kam, gar nichts los“, weiß Carsten Grubach noch wie heute. „Dann aber sah ich zufällig das Schild ›Kleidermarkt‹ und dachte, da muss ich hin.“ Und so kam der Däne auf dem Flohmarkt zwischen Schule und Boulebahn ins Gespräch mit engagierten Freiwilligen, die ihren freien Sonntag der guten Sache opfern: Denn ein Teil der Einnahmen fließt in Aktivitäten der Bildungseinrichtung und kommt so dem Dorf – das wie Albersdorf im 15. Jahrhundert unter König Christian 1. dänisch war – direkt zugute. „Das macht Mut und lässt mich optimistisch auf Deutschland sehen“, so Grubachs Fazit.
Stand meiner Reportage: Januar/Februar 2025.
REPORTAGE von Christoph Schumann
Kolding/Hamburg (cs). Irgendwann musste es einfach sein. Einige Jahre schwirrte Carsten Grubach die Idee bereits im Kopf herum. Sogar erste Vorplanungen hatte der dänische Autor schon gemacht – als die Coronapandemie die Reisewege des Endsechzigers kreuzte und das Datum hinausschob. „Im vorletzten Jahr war es dann endlich soweit“, erzählt Carsten Grubach im Gespräch mit unserer Zeitung. „Da bin ich los“, so der Journalist aus Kolding in Südjütland. Das Projekt des Globetrotters: Einmal Deutschland von A bis Z bereisen. Am besten in alphabetischer Reihenfolge und am Stück. Das hieß konkret: von Albersdorf bis Zarpen.
„Dass Anfang und Ende meiner Entdeckungsreise in Schleswig-Holstein liegen, ist deshalb natürlich kein Zufall“, sagt Carsten Grubach. Schließlich wollte der vielbeschäftigte Autor schon unmittelbar hinter – und auf dem Heimweg noch vor – der deutsch-dänischen Grenze Neues erleben. Und manchmal auch alte Verbindungen wiederfinden: „25167 ist nicht die Einwohner- von Albersdorf, sondern die Postleitzahl von Albersdorf. Der Ort im Westen der Marsch hat nämlich nur 3774 Bewohner. (…) Und im einst zu Dänemark gehörenden Dithmarschen kann man von einem 21 Meter hohen Aussichtsturm weit blicken.“ Dazu erkundet Grubach noch voller Neugier die kleine Büchertauschbox am Bahnhof, die nicht nur Zugreisenden „Vitamine fürs Gehirn“ bietet. Es sind solche kleinen Unterschiede, die dem Journalisten besonders auffallen – denn Büchertauschhäuser dieser Art gibt es im kleinen Königreich nicht.
Schauen, sammeln und schreiben
Zur Fortbewegung wählte der Familienvater übrigens nicht die Schiene. „Geschuldet ist dies meinem Plan, kleinere, verhältnismäßig unbekannte deutsche Städte zu finden“, skizziert Grubach. Diese sollten eher an der Peripherie der Bundesländer liegen als im Zentrum. Ein Grund dafür, dass der Däne die drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen bewusst ausließ. Dazu wollte Grubach die an einem Silvesterabend vor fünf Jahren auf der Landkarte ausgewählten Orte möglichst unvoreingenommen ansteuern. „Vor Ort vielleicht ein wenig googeln, mehr aber nicht“, so Grubach. „Das war keineswegs Faulheit. Aber ich wollte mich nicht vorbereiten, um ohne Voraussetzungen anzukommen, zu schauen und dann zu schreiben.“ Grubachs Vorbild waren dabei die berühmten dänischen Dogma-Regisseure der 1990er Jahre um Thomas Vinterberg und Lars von Trier. Auch sie arbeiteten vor Ort mit Ton und Kamera „on location“, frei und assoziativ ohne streng festgelegtes Drehbuch. „Meist hat man als Reisejournalist aber einen festen Ablauf randvoll mit Terminen“, weiß Carsten Grubach. „Ich wollte aber möglichst frei sein.“
Am Ende fuhr und schlenderte Grubach rund einen Monat durch deutsche Kleinstädte. Fand Kuhversteigerungen im niedersächsischen Cloppenburg. Staunte über Europas größte Kanalkreuz in Datteln in Nordrhein-Westfalen. Probierte das Quellwasser in Gerolstein in der Eifel. Staunte über das Römerlager in Xanten am Rhein unweit der Niederlande. Und strandete an einem kalten Frühjahrstag im baden-württembergischen Yach bei Freiburg, um festzustellen, dass sowohl das Gasthaus Adler wie das Gasthaus Sonne gleichzeitig „Ruhetag“ haben und nicht auf nordische Gäste warteten. Dafür traf der Däne in Freudenberg im Siegerland einen japanischen Blogger, der die zahlreichen idyllischen Fachwerkhäuser fleißig für seine Landsleute auf Instagram posteste. „Das wollte ich aber nicht“, unterstreicht Grubach, „also quasi live von unterwegs bloggen und streamen. Da bin ich konservativ, ich bleibe beim Schreiben und Fotografieren.“ Stattdessen erschienen die Reportagen als Serie von insgesamt sieben Artikeln im letzten Sommer in den fünfzehn Tageszeitungen des dänischen Verlags JyskFynske Medier, darunter so große Regionalblätter wie JyskeVestkysten in Jütland oder Fyens Stiftstidende auf Fünen. Rund 600.000 dänische Leser erfuhren so in Print- wie Onlineform Spannendes aus ihnen unbekannten Provinzen und (Klein-)Städten des südlichen Nachbarn.
Überraschende Unterschiede zwischen West und Ost kennengelernt
„Auch in den vergangenen drei Jahrzehnten war ich immer wieder überall in Deutschland unterwegs“, erinnert sich Grubach. „Und trotzdem habe ich auch jetzt noch viel Überraschendes kennengelernt.“ Das gelte nicht nur, aber vor allem auch für die neuen Bundesländer, so der nordische Experte. „Dass beispielsweise das brandenburgische Rathenow das große Zentrum für Optik in der DDR war, wusste ich nicht“, so Grubach. Und auch Angela Merkels enge Verbindung zum ebenfalls in Brandenburg liegenden Templin ging dem Journalisten erst beim Ortsbesuch auf. Überhaupt fiel Carsten Grubach erst durch den Besuch aller Bundesländer auf, wie groß nach wie vor die Ungleichheiten zwischen West- und Ostdeutschland sind. Das sächsische Pirna an der Elbe bei Dresden zeige sich zwar renoviert voll historischer städtebaulicher Schönheit. „Doch dass der Abstand zwischen den Menschen und der Politik in den fünf neuen Ländern größer zu sein scheint als im Westen, fiel mir nicht nur in Pirna auf“, unterstreicht der Jüte, der fließend Deutsch spricht und neben seiner journalistischen Tätigkeit auch mehrmals im Jahr als Leiter von Studienreisen für dänische Anbieter zwischen Flensburger Förde und Bodensee unterwegs ist.
Die Sorgen der Menschen nicht ignorieren
„Besonders die mentalen Unterschiede und die Einstellung zur Politik wirken groß, finde ich“, so Grubach weiter. „Das hat immer noch mit der Geschichte und Kultur zu tun, zugleich aber auch mit mentalen, oft auch nur regionalen Einstellungen zu Gesellschaft, Institutionen oder Wirtschaft.“ Manche Begegnungen hätten ihm die Augen geöffnet für die Probleme, die Deutschland anders als Dänemark umtreiben. „Insofern habe ich richtig viel gelernt, muss ich sagen. Und dennoch glaube ich, dass es in Deutschland gar nicht die Lethargie gibt, von der so viele sprechen“, fasst Carsten Grubach seine Eindrücke zusammen. „Veränderungen sind immer schwer, ob politisch oder wirtschaftlich. Da braucht es einfach Zeit. Oder vielleicht auch mehr Zeit.“
„Blicke optimistisch auf Deutschland“
Seiner Meinung nach seien es fast überall die kleinen Initiativen die den lokalen Zusammenhalt stärkten. Und damit letztlich das große Ganze. So wie in Zarpen bei Lübeck, der letzten Station von sechsundzwanzig seiner Reise. „Zunächst wirkte es, als wäre an dem verschlafenen Sonntag im September, als ich durch Storman kam, gar nichts los“, weiß Carsten Grubach noch wie heute. „Dann aber sah ich zufällig das Schild ›Kleidermarkt‹ und dachte, da muss ich hin.“ Und so kam der Däne auf dem Flohmarkt zwischen Schule und Boulebahn ins Gespräch mit engagierten Freiwilligen, die ihren freien Sonntag der guten Sache opfern: Denn ein Teil der Einnahmen fließt in Aktivitäten der Bildungseinrichtung und kommt so dem Dorf – das wie Albersdorf im 15. Jahrhundert unter König Christian 1. dänisch war – direkt zugute. „Das macht Mut und lässt mich optimistisch auf Deutschland sehen“, so Grubachs Fazit.
Stand meiner Reportage: Januar/Februar 2025.