Kopenhagen. In ihrem jetzt erschienenen Kochbuch „Das Noma-Handbuch Fermentation“ entdecken die dänischen Starköche René Redzepi und David Zilber die alte Kunst des Gärens und Haltbarmachens von Lebensmitteln neu.
Wer alles erreicht hat und vieles besitzt, sehnt sich oft nach dem Einfachen. Hat dieser Trend nun auch die Spitzengastronomie erreicht? Ein wenig wirkt es so. Denn das neue Kochbuch des dänischen Starkochs René Redzepi geht zurück zu einem der ursprünglichsten Verfahren der Küche: dem Fermentieren.
Das Fermentieren, also Haltbarmachen und Gären von Gemüse, Fleisch & Co. in Salzlake gehörte früher ganz selbstverständlich zum Basiswissen jeder Hausfrau. Heute entdecken Küchenchefs wie die kreativen Köpfe des berühmten Kopenhagener Noma – das lange als weltbestes Restaurant galt und vor wenigen Wochen nach seiner Pause erstmals wieder mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde – das traditionelle Verfahren neu.
Geschmack durch Zufall
Im Fall des Noma allerdings weniger bewusst als quasi nebenbei. „Die Geschichte des Fermentierens im Noma ist eine Geschichte, die von Zufällen geprägt ist. In den Anfangsjahren des Restaurants suchen wir permanent nach neuen Zutaten, um unsere Vorratskammer mit Sachen zu füllen, mit denen sich unsere Speisekarte auch in der kalten Jahreszeit interessant gestalten ließ“, so der 1977 in der dänischen Hauptstadt geborene Redzepi in der Einleitung zum Kochbuch mit dem langen Titel „Fermentation. Wie man Koji, Kombucha, Shoyu, Miso, Essig, Garum, milchsauer eingelegte und schwarze Früchte und Gemüse herstellt und damit kocht“ (jetzt erschienen im Verlag Antja Kunstmann, München, 456 Seiten kosten 40 Euro).
Bis sie eines Tages zufällig eine Kostprobe eingelegter, saftiger Bärlauchknospen kosteten – Wildpflanzen, die ganze Generationen einst für den Winter konservierten und die wie Kapern schmeckten. In einer Zeit, in der Kühlschränke und künstliche Stabilisatoren unbekannt waren. Tausende Produkte entstehen durch Fermentation oder Gärung – von Bier und Wein bis hin zu Käse, Sauerkraut oder Sojasoße.
Aromatische Offenbarung
So machten sich die Erfinder der Neuen Nordischen Küche, die von Kopenhagen aus vor rund fünfzehn Jahren ihren Siegeszug um die Welt antrat, ans Experimentieren mit Salz und Lake: „Hätte man uns gefragt (…) hätten wir den Vorgang als ›Pökeln‹ oder ›Reifen‹ beschrieben.“ So öffnete sich den Noma-Köchen eine neue Geschmackswelt: „Die Bärlauchkapern waren eine Offenbarung. Plötzlich stand uns eine neue Zutat zur Verfügung, die jedes Gericht durch kleine Geschmacksexplosionen von salzig-saurer Schärfe bereichern konnte. (…) Sie wuchs vor unserer Haustür und wurde, allein durch die Zugabe von Salz, zu etwas ganz Besonderem.“ Einfach gesagt, werden durch Fermentation Lebensmittel angeregt durch Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzkulturen ohne Konservierung haltbar gemacht. Der Vorteil: Vergorenes eröffnet anders als industriell verarbeitete Zutaten ungewöhnlich vielfältige, reiche Aromen. Gleichzeitig werden Enzyme und Vitamine gebildet, die gut für Verdauung und Darm sind. Fermentation hat sich so weltweit zu einem der wichtigsten, spannendsten – und gesündesten – Kochtrends entwickelt.
Einblicke ins „Noma Fermentation Lab“
Der gesundheitliche Aspekt ist für die Noma-Köche aber eher nebensächlich. Für René Redzepi und seine Mitstreiter bedeutet Fermentiertes: einen spritzigen Schuss Essig, Miso – das für volles, rundes Aroma sorgt –, einen explosiven Tropfen Garum oder schwarzen, fermentierten Knoblauch mit seiner intensiven Süße. Die Fermentation sei, so Noma-Chef Redzepi, das Fundament des außergewöhnlichen Aromenspektrums des nach der Neueröffnung am Refshalevej im Stadtteil Christianshavn ansässigen Restaurants. Redzepi und David Zilber, der das „Noma Fermentation Lab“ leitet, geben Kochfans und Genießern im „Noma-Handbuch Fermentation“ Einblicke in ihre jahrelang erforschten Techniken. Und die Profis geben ihr fundiertes Wissen und die erprobten Methoden anschaulich erklärt auch andere Kochbegeisterte weiter. So enthält das Handbuch zunächst Schritt für Schritt und mit 500 Fotografien von Evan Sung bilderreich erklärt, getestet und verständlich beschrieben, Tipps für Kombucha und Koji, Essig und Shoyu, Miso und Garum, schwarz fermentierte und milchsauer eingelegte Früchte und Gemüse. Darüber hinaus finden LeserInnen im opulenten Kochbuch mehr als 100 Rezepte, wie man in der eigenen Küche zuhause mit den fermentierten Lebensmitteln kochen und seine Gerichte bereichern kann – mit köstlichen Aromen, überraschenden Geschmacksnuancen. Und mit Zutaten, deren Bedeutung für die Gesundheit gar nicht hoch genug einzuschätzen ist. So könnte der „neue“ Trend des Fermentierens am Ende wieder zur festen Tradition werden.