Ein Mann voller Rätsel – "Rätselpapst" Stefan Heine im Porträt

Stefan Heine ist einer der bekanntesten Rätselmacher Deutschlands. Foto: Christoph Schumann, 2021
Stefan Heine ist einer der bekanntesten Rätselmacher Deutschlands. Foto: Christoph Schumann, 2021

Von Christoph Schumann

 

PORTRÄT Hamburg/Eckernförde (cs). Es gibt Tage, da kommt auch Stefan Heine ins Schwitzen. Nicht, weil der Hamburger an einer unlösbare Sudoku-Aufgabe knobelte. Oder weil der von Kennern zu Deutschlands „Rätselpapst“ ernannte Freiberufler einer neuen Herausforderung für seine zahlreichen LeserInnen arbeitet. Sondern schlicht, weil die Sommerhitze den Hof von Heines kombiniertem Wohn-Geschäfts-Hauses im Nordwesten der Hansestadt ungewohnt kräftig aufheizt. So wie beim Gespräch unserer Zeitung vor wenigen Tagen. Gleich anfangs stellt der 52-Jährige richtig: „Rätselpapst ist wirklich nicht meine eigene Einschätzung – ich nenne mich schlicht Rätselmacher. Das trifft das, was ich mache, viel besser.“

Tatsächlich verbirgt sich nur wenige Schritte entfernt in einem Anbau des Heine’schen Wohnhauses eine wahre Rätselmanufaktur: Im weitläufigen Büro mit riesig wirkenden Schreibtischen arbeiten arbeiten Heine und ein festes Team aus derzeit sechs Angestellten, darunter Grafikerinnen, eine Journalistin oder IT-Spezialisten, in Nicht-Corona-Zeiten digital wie analog an neuen Rätseln. Derzeit aber ist die Mehrzahl auch hier noch im Homeoffice und damit wie die vielen freien MitarbeiterInnen nur über Videokonferenzen oder E-Mails im Kontakt mit Chef und KollegInnen. An den Wänden des historischen Gebäudes der früheren „Dampfwäscherei Sonnenstrahl“ stehen Regale, reich gefüllt mit Rätselbüchern-, -kalendern, -magazinen, Tüftelspielen und vielem mehr. Und täglich werden es mehr, die Stefan Heine teils im Eigenverlag, meist aber für Verlage in der ganzen Republik und inzwischen auch teils darüber hinaus erdenkt. Aktuell beliefert Heine rund vierhundert Kunden im Bereich Presse- und Verlagshäuser. Darunter Tageszeitungen in Berlin ebenso wie in der alten Bundestadt Bonn, in Hamburg ebenso wie im Ruhrgebiet.

 

Der Beruf als Hobby

„Mein Beruf ist mein größtes Hobby“, sagt der dreifache Vater. Dabei ist Heine eher durch Zufall zu dem gekommen, das sich als seine Lebensaufgabe herausstellen sollte: Nach dem Studium von Jura- und BWL in Kiel, das ohne Abschluss bliebt, zog der Schleswig-Holsteiner zusammen mit einem Freund an die Elbe. Ausgestattet mit dem Gründer-Gen – das Heine wohl von seinem Vater geerbt hat, der in Eckernförde einen Delikatessen-Versandhandel führte – gründeten sie 1994 ein Marktforschungsinstitut. Schon ein Jahr später stellte ein Zufall die Weichen für die nächsten fünfundzwanzig Jahre, denen wohl noch ebenso viele folgen: Auf den Tipp der Mutter seines Mitgründers hin kontaktierten die Jungunternehmer deutschlandweit Anzeigenbätter und boten ihre Hilfe bei Servicethemen an. „So fingen wir eher nebenher an, Kummerkasten-Beratungen zu vertreiben. Dann schrieben sie auch Horoskope. Und weil die Nachfrage wuchs, nahmen wir bald auch Rätsel in unser Portfolio auf“, erinnert sich Heine. „Damals musste jedes Rätsel noch von Hand gemacht werden, das war mühsam und sah nicht immer schön aus.“ Dank schneller Computer und Spezialsoftware ist heute aber auch das Rätselerfinden weitgehend digitalisiert: „Aber wirklich auch nur weitgehend“, schränkt Heine ein, „denn beispielsweise die kniffligen Streichholzrätsel entstehen nach wie vor auf Papier und gezeichnet.“

Die Vielfalt an Rätselprodukten, die Stefan Heine und sein Team erstellen, ist riesig. Foto: Christoph Schumann, 2021
Die Vielfalt an Rätselprodukten, die Stefan Heine und sein Team erstellen, ist riesig. Foto: Christoph Schumann, 2021

Anders als früher entwickeln Heine, der sein Marktforschungsinstitut irgendwann verkaufte und sein neues Unternehmen Presse-Service ins Leben rief, und seine MitstreiterInnen längst nicht mehr nur einzelne Rätsel – ob Kreuzworträtsel, Silbenrätsel, Buchstabensalat, Domino, Labyrinthe, Fehler-Suchbilder und mehr – insgesamt etwa 130 verschiedene Varianten. Längst versorgen die MacherInnen aus der norddeutschen Rätselschmiede täglich ihre Kunden mit fertig gestalteten Seiten. „Und diese erscheinen etwa nicht nur in der gedruckten Zeitung“, so Heine, „sondern selbstverständlich auch In der entsprechenden digitalen Ausgabe, also im E-Paper oder auf der Homepage. So können Rätselfans unsere Aufgaben sozusagen auf allen Kanälen lösen – was einfach wirkt, technisch aber einige Programmierherausforderungen stellt.“ Das zurückliegende Coronajahr hat Heine einen wahren Boom beschert: „Für uns waren die letzten Monate die anstrengdsten überhaupt“, freut sich der jugendlich wirkende Mann, der Sudoku nach Deutschland gebracht hat: „Aus Mangel an aktuellen Themen im Sport oder im Kulturbereich haben viele Zeitungen ihren LeserInnen, ob älter oder jung, mehr tägliche Rätselseiten geboten. Das hat die Nachfrage bei uns stark erhöht. Wir mussten viel neu lernen, aber Herausforderungen finde ich heute so spannend wie anfangs.“ Dabei musste Heine die erhöhte Rätsellust parallel zum normalen Betrieb befriedigen, der bereits beeindruckende Formen hat: Denn zum rätselhaften Angebot des Hamburger Kreativen zählen auch Kalender für alle Generationen, Rätselzeitschriften und -bücher im eigen und für Fremdverlage oder Rätselspiele für zuhause oder den Urlaub, für Einzelspieler oder Gruppen. Neuester Hit: Die „Schatzsuche“ – eie Spielebox für eine Schnitzeljagd, die Eltern für ihre Kinder in nur zehn Minuten vorbereiten können. Ideal für Geburtstagsfeiern oder Kinderbesuch. Und die ideale Ergänzungen zu seiner Reihe „Der kleine Heine“ für junge Denksportler.

Rätsel-Erfinder Stefan Heine vor einem Regal voller Rätselbücher, -spiele & Co. Foto: Christoph Schumann, 2021
Rätsel-Erfinder Stefan Heine vor einem Regal voller Rätselbücher, -spiele & Co. Foto: Christoph Schumann, 2021

Heine hat Sudoku nach Deutschland gebracht

Ernsthafte Rätselfreunde kennen Stefan Heine aber vor allem als denjenigen, der 2005 das japanische Zahlenrätsel Sudoku nach Deutschland brachte. „Damals rief mich ein Freund aus London an und sagte, ich müsse schnellstmöglich vorbeikommen“, sagt Heine, als wäre es gestern gewesen. „Es war unglaublich: Wir gingen in ein Café – dort war es ganz still. Dreizehn Menschen inklusiver der Bedienung waren ins Lösen von Sudokus vertieft.“ Und auch in U-Bahnen und Bussen grübelten die Briten über den Zahlrätseln aus Asien. Nur wenige Monate dauerte es danach, bis der Sudoku-Hype auch hierzlande anschwoll. Heute sind die Zahlengitter aus der Rätselwelt nicht mehr wegzudenken. „Und da es rund fünf Trilliarden Möglichkeiten gibt, Sudokus zu erstellen, wird der Nachschub so schnell nicht ausgehen“, ist Heine sicher, der mit Fernsehauftritten wie im „ZDF Fernsehgarten“ inzwischen so etwas wie ein Star der Rätselszene ist. Seit Jahren entwirft Heine auch die Rätsel für die deutschen Sudoku-Meisterschaften. Dazu begleitet der passionierte Denksportler das deutsche Sudoku-Team als „Nationalcoach“ zu internationalen Turnieren. Regelmäßig ist Heine auch bei den normalerweise jährlich stattfindenden Sudoku-Weltmeisterschaft dabei, für die er sogar einen eigenen Rätselpokal mit Sudokus für jeweils vier WettkampfteilnehmerInnen erfand. Dass der Rätselmacher selbst gern Sudokus löst hilft dabei – „aber in der Weltspitze könnte ich nicht mitspielen“, gesteht Heine, der mit seiner Familie an Wochenende gern im Ferienhaus bei Eckernförde vom Rätselalltag entspannt.

 

120.000 Fragemöglichkeiten
Weil nicht nur bei Sudoku die Tüfteleien so schnell nicht ausgehen, sondern in Heines Computer beispielsweise auch mehr als 40.000 regelmäßig aktualisierte Wörter mit 120.000 Fragemöglichkeiten gespeichert sind, ist der Rätselmacher optimistisch für die Zukunft. „Rätsel aller Art haben vielen durch die Isolation in der Coronazeit geholfen“, so Heine, „sie waren Ablenkung ohne Altersbeschränkung.“ Denn Knobeleien und Tüfteleien seien heute so wenig eine Altersfrage wie vor Jahrzehnten. Gespielt und gedacht werde immer. „Natürlich rätseln Jüngere eher online, während ältere Menschen immer noch Zeitungen oder Magazine vorziehen. Aber auch das hat sich in den letzten Monaten sprunghaft geändert.“ Bleibt die Frage, ob der Experte einen neuen Rätseltrend am Horizont aufziehen sieht? „Nein“, lacht Heine“, „leider nicht. Ich bin zwar ein engagierter Fragensteller, aber kein Wahrsager.“

 

 

Copyright Text und Fotos: Christoph Schumann, Hamburg, 2021