REPORTAGE Fremantle/Westaustralien. Kaum hat der “Rottnest Express” am alten Dock von Fremantle abgelegt, nimmt die Schnellfähre Fahrt auf hinaus auf den offenen Indischen Ozean. Kaum zwanzig Minuten später erscheinen die Umrisse einer flachen Insel am Horizont – und schon nach einer halben Stunde machen wir fest am Kai von Thomson Bay Settlement, dem kleinen Hauptort von Rottnest Island. “Willkommen auf Westaustraliens beliebtester Ausflugsinsel”, begrüßt Jenny Burke uns und die anderen rund drei Dutzend Tagesgäste. Im leuchtend gelben Shirt ist die im nahen Perth lebende Burke schon von Weitem als Inselguide erkennbar. “Ich liebe Rottnest Island”, lacht die Ehrenamtlerin, “und genau darum zeige ich Besuchern schon seit 30 Jahren immer wieder die schönsten Seiten des Eilands.” Damit ist sie nicht allein: Rund 300 Volunteers der Rottnest Voluntary Guides Association Inc. bieten seit 1986 ganzjährig allen Besuchern kostenlose Inseltouren an.
Und zu erleben gibt es auf dem nur 19 Quadratkilometer großen Eiland einiges. Darum zögern wir nicht lang, sondern starten mit einem der roten Leihfahrräder zu einer Rundtour über das autofreie Rottnest Island, auf dem nur Busse und einige Servicefahrzeuge die Ruhe stören. Zunächst radeln wir zum Wadjemup Lighthouse, das seit 1896 vom höchsten Punkt der Insel auf dem 45 Meter hohen Wadjemup-Hügel aus für Sicherheit vor der westaustralischen Küste sorgt. Der Leuchtturm ist das Revier von Lynette Taylor: Als Volunteer fesselt die Pensionärin Touristen seit zwei Jahren mit Berichten von Schiffsunglücken, der bei schlechtem Wetter oft gefährlichen Einfahrt zum Hafen von Fremantle und natürlich mit Anekdoten aus der Bauzeit des fast 39 Meter hohen Leuchtturms – von dem aus der Blick nach dem Erklimmen der 157 Stufen über das ganze unter Naturschutz stehende Rottnest Island und seine mehr als 60 weißen Sandstrände und 20 Buchten geht. Dank des klaren, warmen Wassers bleibt kaum eine Inselrundfahrt ohne Schnorchel- oder Schwimmvergnügen – besonders gern an Salmon Bay oder Rocky Bay, die beide bequem nicht nur per Zweirad, sondern auch mit dem Bus erreichbar sind.
Fürs Rad spricht aber eindeutig, dass man den häufigsten Inselbewohnern – nur gut 100 Menschen leben fest auf dem achtzehn Kilomter vor Westaustralien gelegenen Rottnest Island – so am besten begegnet: den Quokkas. Tausende der nur bis zu 60 Zentimenter großen Kurzschwanzkängurus leben hier. Die seltenen Beuteltiere findet man nur im Westen Australiens. Die Quokkas gaben der Insel ihren Nahmen. Als der hollänische Kapitän Willem de Vlamingh 1696 das Eiland erreichte und erkundete, hielt der Entdecker die zahlreichen Tiere fälschlicherweise für Ratten – “Rotte nest”, also Rattennest, blieb als Name bis heute. Wenn sich die nachtaktiven Mini-Kängurus, die meist unter den vielen Büschen Schutz und Nahrung suchen, doch einmal am Tag blicken lassen, sind Staus garantiert: nicht nur ein Quokkafoto gehört zu den “Must haves” der Urlaubssouvenirs – seit einiger Zeit geht auch nichts mehr ohne ein Quokka-Selfie im Internet, das unter #quokkaselfie den Beweis des Besuchs auf Rottnest Island liefert.
Wir belassen es lieber bei klassischer Fotografie aus sicherer Entfernung, auch wenn die kleinen Quokkas bereitwillig posieren. Über Geordie Bay und die offene, kristallklare Bucht The Basin fahren wir zurück nach Thomson Bay. Am frühen Abend beschließen wir die (Insel-)Runde in Thomson Bay mit einem Eis von Simmo’s Icecream und einem herzlichen “Goodbye” an Jenny und Lyette. Ob die gelben Guides schon an ihre Gäste von morgen denken? Wir lassen Rottnest Island erst einmal still im Meer verschwinden, während die Fähre zurück zum Festland rast. Erst ganz allmählich beginnen wir uns auf den Abend in Fremantle zu freuen, wo für Australien so vieles begann – nirgendwo sonst auf der Welt sind in einer Hafenstadt so viele historische Straßenzüge aus dem 19. Jahrhundert fast vollständig erhalten als lebendige Zeugen der Seefahrts-, Sträflings- und Kolonialgeschichte. Das 200.000 Quadratmeter große West End mit 250 Gebäuden aus der Zeit des australischen Goldrauschs steht seit kurzem komplett sogar unter Denkmalschutz. Auch ein lohnendes “Must see” – nur ohne Quokkas.
Reiseinformationen Westaustralien
Westaustralien ist der größte Bundesstaat des Landes. Er umfasst rund ein Drittel des australischen Kontinents und ist etwa sieben Mal so groß ist wie Deutschland. Die Landschaft der Region ist mit Korallenriffs wie dem Ningaloss Reef oder wüstenartigem Outback ebenso vielfältig wie das Klima, das von gemäßigten Temperaturen im Süden bis zu tropischen Regen- und Trockenzeiten im Norden reiche. Hauptstadt ist die kosmopolitischen Metropole Perth (Flugzeit rund 18 h ab Frankfurt/M.). Alljährlich kommt knapp 1 Mio. internationaler Touristen nach Westaustralien.