Flagge zeigen zur See – ein Besuch im Deutschen Marinemuseum in Wilhelmshaven

Willkommen an Bord – die Schiffe im Museumshafen des Deutschen Marinemuseums stehen Besuchern offen. Foto: Christoph Schumann, 2024
Willkommen an Bord – die Schiffe im Museumshafen des Deutschen Marinemuseums stehen Besuchern offen. Foto: Christoph Schumann, 2024

REPORTAGE Wilhelmshaven (cs). Was Stadt und Funktion zusammenbindet, zeigt sich in Wilhelmshaven eindrücklich am Wasser: Weithin sichtbar ragen über dem Verbindungshafen unweit der berühmten Kaiser-Wilhelm-Drehbrücke – Wilhelmshavens historischem Wahrzeichen von 1905/07 an der alten Hafeneinfahrt – Brücken und Aufbauten mehrerer Kriegsschiffe auf. Die Museumsschiffe rund um das größte Museumskriegsschiff „Mölders“ sind das Highlight des Deutschen Marinemuseums, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Geschichte der deutschen Marine seit 1848 zu sammeln und zu erzählen.

Von den Anfängen der Marine bis heute

Wer wie die meisten Besucher zur Museumsflotte auf dem Außengelände möchte, durchläuft zunächst die Dauerausstellung des in den 1980er Jahren auf private Initiative hin ins Leben gerufenen Hauses, das erst seit rund zwanzig Jahren in die Trägerschaft einer Stiftung überging. Drei große Ausstellungsräume versammeln unter dem Motto „Menschen, Zeiten, Schiffe“, die drei wichtigsten Epochen Deutschlands zur See: Da ist als erstes „Marinen im Nationalstaat“ – erst im Jahr der Revolution 1848 entstand überhaupt der Gedanke an eine eigene nationale Marine: Als ihr Gründungsdokument gilt der Parlamentsbeschluss der Paulskirchenversammlung zur Aufstellung einer „deutschen Marine“ vom 14. Juni 1848. Nur wenige Jahre später entstand mit dem sogenannten Jadevertrag bereits die Idee eines Marinehafens, verbunden mit der Gründung Wilhelmshavens wenig später. Heute beim Gang durch die Ausstellung schwer vorstellbar ist die, man muss fast sagen: Euphorie, mit der im Kaiserreich unter Wilhelm I. und II. eine eigene Flotte aufgebaut wurde, mit der das Deutsche Reich dann nach Großbritannien zur zweitgrößten Seemacht seiner Zeit aufrüstete. Nicht ausgespart wird auch die unrühmliche Rolle der Marine bei der Eroberung und Unterjochung deutscher Kolonien, etwa in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia.

Originale Ausstellungsstücke in der Dauerausstellung des Marinemuseums. Foto: Christoph Schumann, 2024
Originale Ausstellungsstücke in der Dauerausstellung des Marinemuseums. Foto: Christoph Schumann, 2024

Zwischen Welt- und Kaltem Krieg

Das „Zeitalter der Weltkriege“ versucht einen Überblick über die Jahrzehnte zwischen 1914 und 1945 zu geben, der einerseits in fast erschreckender Weise aufzeigt, mit welcher Energie und Ingenieurskunst, aber auch mit welchem finanziellen Aufwand die kaiserliche Hochseeflotte vor und im Ersten Weltkrieg aufgerüstet wurde. Nur wenige Jahren lagen rückblickend zwischen Niederlage, dem folgenden Matrosenaufstand in Kiel im November 1918 – und der von vielen Offizieren der verbliebenen „Restmarine“ so begrüßten Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 bis hin zum Zweiten Weltkrieg und der Kapitulation 1945. Dass die von den Alliierten vorgesehene Entmilitarisierung nur kurz währte, verschuldete der Kalte Krieg mit seinen harten Fronten. Statt keiner gab es ab den 1950er Jahren in beiden deutschen Staaten Marinen, deren Geschichte, Aufgaben und Strukturen in ihren jeweiligen politischen Systemen das Museum in einer Art Paralleldarstellung nachzeichnet. Nach der Wiedervereinigung vor 35 Jahren wurde die Volksmarine der DDR aufgelöst. Nur wenige Soldaten wechselten in die Deutsche Marine. Diese zeigt heute in einer angespannten Weltlage Präsenz in Krisengebieten weltweit, zuletzt etwa im Mittelmeer bei Zypern bzw. vor dem Libanon und am Horn von Afrika. Mit dem gesellschaftlichen und (welt)politischen Wandel wandelt sich auch die Aufgabe der Marine.

Blick auf den Museumshafen des Deutschen Marinemuseums, Wilhelmshaven. Foto: Christoph Schumann, 2024
Blick auf den Museumshafen des Deutschen Marinemuseums, Wilhelmshaven. Foto: Christoph Schumann, 2024

Aktuelle Sonderausstellung: "Aufgetaucht!"

In der Gründungszeit des Marinemuseums gab es heftige Diskussionen, ob ein solches Haus nicht militaristische Tendenzen symbolisiere. Rückblickend muss man sagen, dass die Sammlung bei aller – auch räumlichen – Nähe zur Marine dennoch Abstand und auch kritische Tendenz wahrt. Diese kritischen Linien und Einwände darf das Marinemuseum, das seit dem Herbst vom Kieler Historiker Thomas Eisentraut geleitet wird, in seiner laufenden Neukonzeption gern noch deutlicher machen. Denn mehr Distanz zum Objekt seiner Sammlung und Forschung würde das Museum dann ohne Frage auch für Gäste spannend machen, die eine kritische Haltung zur deutschen Marine- und Militärgeschichte haben.

Einen Anfang dazu macht bereits die laufenden Sonderausstellung „Aufgetaucht!“: Sie ermöglicht Besuchern einen Blick hinter die Kulissen der kommenden Dauerausstellung und alte und neue Schätze der Sammlung. Anders als die jetzige Dauerausstellung vermittelt sie Inhalte nicht chronologisch, sondern in sechs Schwerpunktmodulen: Marine- und Bootsgeschichte soll zukünftig an einzelnen Themen beispielhaft nachvollziehbar werden – etwa die Entwicklung vom historischen Ruderkanonenboot der Bundesmarine anno 1848 hin zur modernen volldigitalisierten Fregatte der Deutschen Marine mithilfe einer Vielzahl von Schiffsmodellen.

 

Weitere Informationen:

Das Deutsche Marinemuseum, Südstrand 125, 26382 Wilhelmshaven ist von November bis März täglich von 10 bis 17 Uhr, von April bis Oktober von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Am 24. Dezember ist geschlossen. Der Eintritt kostet 15 Euro für Erwachsene und 9 Euro für Kinder bis 14 Jahre. Die aktuelle Sonderausstellung „Aufgetaucht! Schätze der Sammlung und Neukonzeption“ ist noch bis 4. Mai 2025 zu sehen. www.marinemuseum.de

 

Stand meiner Reportage: Ende 2024. Copyright Text und Fotos: Christoph Schumann, Hamburg, 2025.